Bosnien-Herzegowina

Bosnien-Herzegowina: Stiftungen unter Druck

„45.000 zerstörte Häuser, 90.000 umgesiedelte Menschen. Und die Regierungseinrichtungen haben so gut wie nichts dagegen getan. Wähle oder leide weiter.“ Mit diesem Fernsehspot fordert die US-amerikanische Behörde für Entwicklungszusammenarbeit USAID die Bosnier dazu auf, wählen zu gehen. Dazu laufen Bilder von dem verheerenden Hochwasser, das im vergangenen Mai das halbe Land überschwemmte.

Auch andere Organisationen ziehen eine katastrophale Bilanz. Sie kritisieren nicht nur das schlechte Krisenmanagement nach der Jahrhundertflut, sondern die gesamte Regierungsarbeit der vergangenen vier Jahre. Das „Sarajevo Center for Investigative Reporting“ etwa stellte fest, dass Politiker immer reicher und die Bevölkerung immer ärmer werden. Das „Center of Civil Initiatives“ in Sarajevo wirft den Politikern zudem vor, faul zu sein: Seit 2010 hätten sie nur 106 Gesetze verabschiedet, in der vorherigen Legislaturperiode waren es noch 180.


Anfeindungen gegen eine Reihe von Stiftungen

Für ihre Kritik geraten Organisationen und Stiftungen in Bosnien zunehmend unter Druck. Den Wahlspot von USAID bezeichneten bosnische Regierungspolitiker als unzulässige Einmischung ausländischer Einrichtungen. Nicht die bosnische Regierung sei für das Verschwinden von fast einer Milliarde Euro Hilfsgelder verantwortlich, sondern die Geberländer, so Außenminister Zlatko Lagumdzija.

Karsten Dümmel, Leiter der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) in Sarajevo berichtet von massiven Angriffen seitens der Regierung. Im April sei ein Index mit 80 Organisationen erstellt worden, die angeblich einen Umsturz im Land planten. Der KAS wird vorgeworfen, eine „tragende Rolle bei der Beeinflussung anderer Gesellschaften“ zu spielen. Damit sind vermutlich auch die Februarproteste in vielen bosnischen Städten gemeint. Damals waren Zehntausende gegen schlechte Lebensbedingungen und Korruption auf die Straße gegangen.


Regierungsparteien benutzen Medien für ihre Attacken

Im August folgte dann eine zweite Kampagne mit Fotos, die beweisen sollten, wie die KAS die Absolventen ihrer „politischen Camps“ auszeichnet. Ein Artikel in der englischsprachigen Bosnia Daily zeigt Finanzminister Nikola Špiric mit den vermeintlichen Abzeichen in der Hand. „Das waren Bilder mit Faschings-Sheriffsternen“, erzählt Dümmel. Ein solches Abzeichen oder eine solche Feier habe es nie gegeben.

Hinter den Angriffen steht ein Konglomerat aus Medien, Politikern und regierungsnahen Organisationen. Häufig lancierten die Regierungsparteien ihre Botschaften über Organisationen, so dass sie nicht direkt als Urheber ausgemacht werden können, erklärt eine Informantin, die ihren Namen nicht nennen will. Dass die Attacken gerade jetzt vehementer werden, wundert Mladen Mirosavljević vom privaten College in Banja Luka nicht. „Der Wahlkampf setzt auf Patriotismus, damit sollen die strukturellen Probleme des Landes überdeckt werden“, sagt der Dozent.

Zu 90 Prozent kämen die Angriffe aus der Republika Srpska, betont KAS-Büroleiter Dümmel. Diese ist die zweite der beiden Teilrepubliken in Bosnien-Herzegowina, die aus dem Dayton-Abkommen von 1995 zur Beendigung des Krieges hervorgingen. Die ethnische Trennung des Landes in einen bosnisch-kroatischen und einen serbischen Teil wird von vielen als Hauptgrund für die Ineffizienz des Staates kritisiert.


Die Friedrich-Ebert-Stiftung montierte ihr Schild ab

Die Konrad-Adenauer-Stiftung ist seit 1997 nur in Sarajevo, nicht in der Republika Srpska (RS) registriert, genauso wie die grüne Heinrich-Böll-Stiftung. Einzig die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung verfügt noch über ein Büro in Banja Luka, der quasi-Hauptstadt der Republika Srpska. Doch seit einem offenen Brief der serbisch-nationalistischen Gruppierung „Zavetnici“ im August hält sich auch die Ebert-Stiftung mit öffentlichen Statements zurück – zumindest bis nach den Wahlen. In dem Brief ist die Rede von „westlichen Machtzentren“, die versuchen würden, eine orangene Revolution in den von ihnen kontrollierten Ländern anzuzetteln.

Die Mitarbeiter der Friedrich-Ebert-Stiftung haben vorsichtshalber ihr Schild abmontiert. Die Büroleiterin steht auf einer „schwarzen“ Liste der regierenden SNSD-Partei von Präsident Milorad Dodik: Sie darf keine Interviews im öffentlich-rechtlichen Sender RTS geben. Die Stiftung organisiert regelmäßig Konferenzen und Podiumsdiskussionen, in diesem Jahr zum Beispiel zum Thema Arbeitnehmerrechte in der Region.

Bisher haben die Gebrandmarkten geschwiegen, nun aber eine gemeinsame Klage gegen die Autoren der Hetz-Publikation „Die Zerstörung der Republika Srpska“ eingereicht. Im Oktober soll der Prozess beginnen.


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