Moldawien

Ein unsicherer Sieg für die Pro-Europäer

Einen knappen Ausgang der Parlamentswahl in der Republik Moldau hatten Umfragen bereits vorhergesehen. Die Entscheidung vom Sonntag macht nun deutlich, wie gespalten das Land tatsächlich ist. Auch wenn weiter eine pro-europäische Koalition regieren dürfte, könnte es schwierig werden, das Volk hinter einen gemeinsamen Kurs vereinen. Die Regierung muss außerdem auf Begehrlichkeiten Moskaus reagieren. Die Abstimmung galt als Richtungsentscheidung zwischen Ost und West, die einige von der Schicksalswahl bis zu einem Kampf zwischen Gut und Böse hochstilisierten. Während Moldau in Europa zuletzt als Musterland unter den östlichen Nachbarn galt, sieht Russland die Ex-Sowjetrepublik weiter im eigenen Einflussbereich.


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Regieren dürfte künftig eine Koalition um die Liberal-Demokratische Partei von Premierminister Iurie Leanca, die zwar Verluste hinnehmen musste, aber dennoch zusammen mit den Demokraten und der Liberalen Partei eine Mehrheit von knapp 44 Prozent erreicht.


Sozialistische Partei ist Überraschungssieger

Überraschungssieger sind die Sozialisten, denen Experten zuvor kaum mehr zutrauten als das Überspringen der Sechs-Prozent-Hürde. Sie erreichten gut 21 Prozent. Bislang waren die Kommunisten traditionell die stärkste Partei im Land, sie kamen diesmal auf knapp 17 Prozent. Sie hatten sich vor der Wahl nicht eindeutig zu ihrem künftigen Kurs geäußert.

Moldaus Bevölkerung ist gespalten, wenn es um den Kurs des Landes geht. Die einen unterstützen die Regierung, die eine Annäherung an die Europäische Union vorantrieb. Andere aber wünschen eine stärkere Orientierung nach Osten, hin zur von Russland dominierten Zollunion und Eurasischen Wirtschaftsunion – das ist die Politik der Sozialisten. Russland verhängte in den vergangenen Monaten Einfuhrverbote für Wein, Fleisch, Obst und Gemüse aus Moldau. Die Folgen bekamen die Menschen unmittelbar zu spüren, während Reformen des EU-Kurses länger auf greifbare Ergebnisse warten lassen.


Korruption ist Moldaus größtes Problem

Die Regierung hatte sich in der Vergangenheit mit Affären in Verruf gebracht, Oligarchen agieren als Strippenzieher der Parteien. Korruption ist das größte Problem im ärmsten Land Europas, und sie betrifft alle Gesellschaftsschichten. Selbst europäische Beobachter halten die Zahl integerer, nicht an Selbstbereicherung interessierter Politiker für gering.

Unmittelbar vor der Abstimmung hatte die Wahlkommission den pro-russischen Kandidaten Renato Usatii ausgeschlossen – wegen illegaler Finanzhilfen aus Russland. Die hatte man ihm allerdings schon länger nachgesagt. Der dubiose Geschäftsmann und Polit-Neuling hätte mit populistischen Parolen Erfolg bei den Unzufriedenen gehabt, in Umfragen kam er auf bis zu 15 Prozent. Nicht nur hier agierte die Regierung ungeschickt.


Knappes Wahlergebnis spielt Russland in die Hände

Fast 700.000 Moldauer arbeiten im Ausland, ihre Einnahmen sind ein wesentlicher Faktor der Wirtschaft in ihrer Heimat. Insgesamt konnten die Bürger im Ausland in 95 Wahllokalen abstimmen, die meisten Wahlurnen standen in Europa. In Russland gab es hingegen nur fünf Wahllokale – für knapp 400.000 Arbeitsmigranten. In Moskau kam es deswegen am moldauischen Konsulat zu Protesten.

Das knappe Wahlergebnis dürfte auch Russland in die Hände spielen. „Chisinau sollte ernsthaft darüber nachdenken, ob es den richtigen Kurs eingeschlagen hat“, kommentierte Dmitrij Rogosin. Der Vizepremier ist innerhalb der russischen Regierung Schutzpatron der von Moldau abtrünnigen und von Moskau unterstützten Region Transnistrien. Nur wenn man die Stimmen für Usatii hinzurechne und die der um ihr Wahlrecht „beraubten“ Arbeitsmigranten, werde die tatsächliche Unterstützung für die pro-europäischen Parteien sichtbar, so Rogosin.

Quellen:

Vor-Ort-Recherche, Hintergrundgespräche in Chisinau und Brüssel (z.T. off the records)

Aussagen des russischen Vizepremiers Dmitrij Rogosin:
https://twitter.com/DRogozin
http://sputniknews.com/europe/20141201/1015339085.html

Die moldauische Nachrichtenagentur Infotag zum Wahlergebnis:
http://www.infotag.md/politics-en/196486/


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