Polen

Franken-Panik bei Kreditnehmern

Das währungspolitische Erdbeben in der Schweiz schlägt bis nach Polen durch: Nachdem die Schweizer Nationalbank (SNB) am Donnerstag den Mindestwechselkurs des Franken gegenüber dem Euro aufgegeben hatte, schnellte der Wechselkurs der Schweizer Währung von bis dahin rund 3,60 Zloty auf zwischenzeitlich über 5 Zloty je Franken hoch, fiel am Freitag wieder auf etwa 4,30 Zloty. Aus polnischer Perspektive ist das ein gravierendes Problem. 

Denn an der Weichsel gibt es rund 560.000 Kreditnehmer, die den Kauf ihrer Wohnungen oder Häuser mit Krediten in der Schweizer Währung finanziert haben. Insbesondere in der Zeit 2004 bis 2008, als das Land einen kräftigen Wirtschaftsaufschwung erlebte und wegen des EU-Beitritts formelle Hürden auch für Kredite in Fremdwährungen gefallen waren, griffen viele Polinnen und Polen zu Krediten in Euro, vor allem aber in Franken.


Privatschulden wachsen

Robert Grausam-Onyszkiewicz hat im Jahr 2008 einen Franken-Kredit in Höhe von 150.000 Zloty (35.000 Euro) aufgenommen. Nach dem aktuellen Kurs betragen seine Schulden eine halbe Million Zloty, sagt er in einem TV-Interview. Der Kredit habe sein Leben zerstört, denn bereits in den Jahren nach 2008 war der Franken gegenüber dem Zloty langsam, aber stetig gewachsen. „Ich habe meine Arbeit verloren, meine Gesundheit leidet. Ich hoffe, mein Fall wird anderen eine Warnung.”

Eine Beispielrechnung zeigt das aktuelle, noch verschärfte Ausmaß des Problems. Mussten Franken-Kreditnehmer für einen Kredit von umgerechnet 70.000 Euro und 30-jähriger Laufzeit im Jahr 2008 eine Monatsrate von 1500 Zloty zahlen, so schlägt die Rate nach dem aktuellen Kurs mit 2300 Zloty zu Buche, umgerechnet 550 Euro. Für polnische Verhältnisse ist das viel Geld, das Durchschnittseinkommen liegt bei umgerechnet 700 Euro netto. 


Negative Auswirkungen auch für Banken

Grund für die massiven Kreditaufnahmen in Franken waren die seinerzeit deutlich niedrigeren Zinsen in dieser Währung gegenüber dem heimischen Zloty. Die polnische Währung erstarkte in der Phase bis 2008, der Wechselkurs gegenüber der Schweizer Währung lag im Jahr 2005 bei rund 2,51, kurz vor dem Ausbruch der Finanzkrise war er mit 2,1:1 aus polnischer Sicht noch günstiger. Verlockende Wechselkurse, geringe Zinsen und das Werben der meist ausländischen Banken in Polen bewegten so immer mehr Menschen zu einem seinerzeit günstigen Kredit in der stabilen Schweizer Währung.

Doch nicht nur auf die Kreditnehmer, auch auf polnische Banken könnten Probleme zukommen, sollten sich wie erwartet Kreditausfälle verstärken. Die staatliche Kommission für Finanzaufsicht (KNF) teilte am Freitag zwar mit, polnische Banken würden für den Ausfall von Franken-Krediten gewappnet sein. Selbst bei einem Kurs über 5 Zloty je Franken sei ihre Situation nicht gefährdet, so die KNF. 

Dennoch fielen die Kurse der an der Warschauer Börse notierten Banken, auch der staatlich kontrollierten PKO BP, am Donnerstag und Freitag deutlich. Experten weisen jedoch zudem darauf hin, dass der Franken dauerhaft stark bleiben könnte. „Der Kurs wird mindestens ein Jahr lang über 4 Zloty je Franken bleiben“, sagt Piotr Poplawski, Analyst der Bank BGZ.


Opposition fordert Unterstützung nach ungarischem Vorbild

Die Regierung hält sich ob der Entwicklungen bislang bedeckt. Von Maßnahmen wie jenen in Ungarn ist bislang keine Rede. Dort hatte die Regierung im vergangenen Jahr die Banken dazu verpflichtet, die Franken-Kredite in ungarische Forint umzuwidmen, und dies zu einem festen und niedrigeren Kurs, als dieser auf dem Markt aktuell war. 

In Polen hält sich die regierende, liberale Bürgerplattform (PO) bislang zurück. „Es ist noch zu früh für Entscheidungen, außerdem sollten Personen, die Kredite in Fremdwährungen aufnehmen, auf Kurswechsel vorbereitet sein”, sagte Krystyna Skowronska, PO-Politikerin und Chefin der Finanzkommission im Parlament (Sejm). Die oppositionelle Recht und Gerechtigkeit (PiS) fordert hingegen Unterstützung für die Kreditnehmer – nach ungarischem Vorbild.

Kritiker von Krediten in Fremdwährungen führen nicht erst seit den Turbulenzen vom Donnerstag vor allem ein Argument ins Feld: Man solle sich nicht in einer Währung verschulden, in der man keine Einnahmen erzielt. Insbesondere dann nicht, wenn es sich um eine tendenziell stärkere Valuta als die heimische handelt, wie es im Falle des Franken gegenüber dem polnischen Zloty der Fall ist. Auf der anderen Seite steht das Argument, dass viele willige Wohnungskäufer in Polen sich seinerzeit einen Kredit in Zloty hätten gar nicht leisten können.


Schweizer Negativzinsen wecken Hoffnung

Inzwischen werden keine Immobilienkredite im Schweizer Franken angeboten. Doch das Porzellan ist längst zerschlagen – denn die Immobilienkredite in Franken machen in Polen etwa 40 Prozent aller Verbindlichkeiten für Wohneigentum aus. Die Kreditsumme beläuft sich nach Angaben der KNF auf umgerechnet 31 Milliarden Euro.

Ein kleiner Hoffnungsschimmer für die gebeutelten Kreditnehmer: Zeitgleich mit der Aufgabe des Mindestwechselkurses senkte die Schweizer Nationalbank den Leitzins von 0,5 auf minus 0,75. Experten verweisen darauf, dass die Banken die Negativzinsen in ihre Kreditrechnungen zugunsten der Kunden weitergeben können. Aber sie müssen es nicht. „Ich selbst habe vor Jahren mal einen Kredit in Franken gehabt, ihn aber zu einem recht günstigen Zeitpunkt in Zloty umgewandelt“, sagt ein 43-Jähriger. „Ich leide mit allen mit, die das nicht frühzeitig getan haben.“


Weitere Artikel