Serbien

Serbien zwischen den Stühlen

Am Mittwoch rückt Serbien näher an die Nato. In Brüssel vereinbart das Land mit dem Nordatlantikpakt einen „Individuellen Aktionsplan zur Partnerschaft“. Der serbische Außenminister Ivica Dacic betonte vorab in Belgrad, dies bedeute keineswegs eine Mitgliedschaft in der Nato – „aber die Aufnahme einer Zusammenarbeit auf höchstem Niveau“. Serbien geht damit auf die Nato zu, macht aber zugleich klar, dass es kein Mitglied sein will: In Belgrad ist das schwere Nato-Bombardement von 1999 wegen des Kosovo-Kriegs unvergessen.

Serbien übt sich also in einer schwierigen Rolle. Im Januar hat es den zwölfmonatigen Vorsitz der OSZE übernommen, der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa. Die OSZE überwacht den Waffenstillstand in der Ukraine, sie soll vermitteln zwischen Kiew und den Separatisten im Osten des Landes, die von Russland unterstützt werden. Serbien verfügt über gute Beziehungen zu Moskau und betrachtet sich gerade deswegen als ein passender Makler in dem Konflikt. Der Draht nach Moskau sei „sicher kein Hindernis“, versicherte Außenminister Dacic am Wochenende in Belgrad. Im Gegenteil, die Beziehungen könnten Serbien dabei helfen, die Lage zu deeskalieren.

Ob Serbien durch Vermittlungsarbeit die OSZE-Mission voranbringt, muss sich erst erweisen. Bisher ist Außenminister Dacic nicht durch Vorstöße aufgefallen. Dafür hat Russland der OSZE gerade vorgeworfen, sie sei ihren Aufgaben nicht nachgekommen und habe die nötigen Informationen zum Abzug der schweren Waffen nicht geliefert.


Abhängig vom russischen Gas

Sicher ist, dass Belgrad seine Beziehungen zu Russland pflegt. Im Herbst war Wladimir Putin Ehrengast einer Militärparade in Belgrad; Serbien hat Beobachterstatus im russischen Verteidigungsbündnis OVKS und wird sich dieses Jahr an Militärmanövern beteiligen. Die EU-Sanktionen gegen Moskau hat das Land nicht übernommen. Laut Bosko Jaksic, Kommentator der regierungsnahen Tageszeitung „Politika“, äußern Wissenschaftler und ehemalige Militärs sogar, „dass die EU nichts für Serbien ist, sondern dass unser Platz in einer Euroasiatischen Föderation ist, zusammen mit unseren slawischen und orthodoxen Brüdern.“

Allerdings ist Serbien bereits eingeschlossen von Nato- und EU-Ländern, beziehungsweise Beitrittskandidaten. Der Ostbalkan mit Ungarn, Rumänien und Bulgarien gehört längst zu Nato und EU. Serbien hat keine Landverbindung zu Russland, auch nicht zur Ukraine, und keinen Zugang zum Schwarzen Meer. Seitdem Russland den Bau der Gaspipeline South Stream gestoppt hat, die durch Serbien führen sollte, ist ein Streitpunkt mit der EU ausgeräumt. Gerade hat das EU-Parlament Belgrad große Fortschritte auf dem Weg in die Union bescheinigt.

Bleibt die Abhängigkeit Serbiens von russischem Gas, aus der sich Premier Aleksandar Vucic allerdings befreien möchte: Er hat mit dem US-Vizepräsidenten Joe Biden über amerikanische Lieferungen verhandelt, was den russischen Fernsehsender „Russia Today“ zu wütender Kritik veranlasste. Der regierungsnahe Kanal stieß sich auch daran, dass Belgrad den ehemaligen britischen Premier Tony Blair als Berater beschäftigt. Dieser hatte sich 1999 für das Nato-Bombardement eingesetzt.

Blair könnte jetzt aber Serbien mit seinen Kontakten den Weg in die EU erleichtern, denn dass der Beitrittskandidat nicht in die Nato möchte, stellt ein Problem dar. Bisher sind alle EU-Länder in Osteuropa zunächst Mitglieder des Nordatlantikpakts geworden. Dieser Druck würde sich allerdings verringern, sollte sich die EU-Kommission mit ihrem Wunsch nach einer europäischen Armee durchsetzen.


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