Kasachstan

Die bestellte Wahl

Wieder finden in Kasachstan vorgezogene Präsidentschaftswahlen statt und wieder sieht es so aus, als ob sie in einem demokratischen Debakel enden würden. Wenn der amtierende Präsident Nursultan Nasarbajew am 26. April zur Wahl antritt, dann muss er sich lediglich zwei Gegenkandidaten stellen, die in der politischen Landschaft Kasachstans bislang keine Rolle gespielt haben. Andere Bewerber wurden aus fadenscheinigen Gründen nicht zur Wahl zugelassen – oder sind gar nicht erst angetreten.

Die erneute Kandidatur des Präsidenten, der das zentralasiatische Land seit 1991 ununterbrochen regiert, wirft ein Schlaglicht auf die riskante politische Ordnung des Systems Nasarbajew: Es definiert den Autokraten als zentralen Faktor innenpolitischer Stabilität. Am Ende der nächsten Legislaturperiode wäre der „Führer des Volkes“ achtzig Jahre alt und bislang ist kein Nachfolger in Sicht. Begleitet werden die Wahlen vom Ausblick in eine wirtschaftlich turbulente Zukunft. Der rasante Ölpreisverfall und der schwache Rubel setzen die kasachische Wirtschaft massiv unter Druck.

Mit den vorgezogenen Wahlen wolle Nasarbajew auf die aktuelle Lage reagieren, sagte er in einer Volksansprache im Februar. Wahlen seien „schon immer das richtige Vorgehen zur Förderung von Einheit und Harmonie in der Gesellschaft gewesen“, so der Präsident. Und die Kasachen stehen derzeit vor unbequemen Aufgaben.


Ölpreis bremst die Wirtschaft

Als einer der weltgrößten Ölexporteure ist das Land dringend auf einen stabilen wie hohen Rohölpreis angewiesen. Rund 60 Prozent der Staatseinnahmen werden durch den Ölexport erwirtschaftet. Kalkulierte man zu Beginn des Jahres noch mit 103 US-Dollar pro Petrolbarrel, sind die prognostizierten Einnahmen mittlerweile auf 50 US-Dollar pro Barrel nach unten korrigiert worden.

Dem rasanten Wirtschaftswachstum der vergangenen Jahre, dessen Motor der Ölexport war, droht ein jähes Ende. Der Bericht der Economist Intelligence Unit für April zeichnet ein düsteres Bild: Um 1,2 Prozent soll die Wirtschaft im laufenden Jahr nur noch wachsen. Fabian Nemitz hält das für eine eher pessimistische Schätzung. Er beobachtet für Germany Trade and Invest (GTAI) aktuelle Entwicklungen und versorgt deutsche Unternehmen, die in Kasachstan investieren wollen, mit Marktanalysen. Nemitz hält 2 Prozent Wirtschaftswachstum für wahrscheinlicher. „Das ist zwar wenig, aber wenn es bei einem Jahr bleibt, dann lässt sich das durchstehen“, sagt der Analyst.

Doch jenseits von Ölexporten und ausländischen Investitionen droht dem einheimischen Mittelstand und den kleinen Händlern wirtschaftliches Ungemach von anderer Seite. Der niedrige Rubelkurs spült billige russische Konsumgüter ins Land und deren Preis läuft außer Konkurrenz. Verschärft wird die Situation dadurch, dass durch die neugegründete Eurasische Wirtschaftsunion die Zölle weggefallen sind. „Unsere Läden sind voll mit russischen Produkten“ sagt Dastan Schumagulow, der in der Metropole Almaty für eine Versicherung arbeitet. Das Problem sei, dass die einheimische Lebensmittelproduktion massiv darunter leide. Dennoch kann Schumagulow noch kein Anwachsen antirussischer Ressentiments in der Bevölkerung erkennen.


Keine politischen illusionen

Auch kasachische Nichtregierungsorganisationen wie das International Bureau for Human Rights and Rule of Law bezweifeln, dass die Wahlen positive Überraschungen für die Bevölkerung bereithalten werden. „Wirtschaftlich läuft es nach der Wahl auf eine schrittweise Abwertung der kasachischen Nationalwährung Tenge hinaus – natürlich ohne adäquate Lohnanpassung“, sagt Mitarbeiter und Journalist Andrei Grishin. Er schreibt für oppositionelle Zeitungen und wurde mehrmals zum Ziel politisch motivierter Übergriffe. Politisch gibt er sich keinen Illusionen hin. „Der einzige stabilisierende Faktor, den ich mir im Moment vorstellen kann, ist ein höherer Ölpreis“, sagt Grishin.

Die letzten Präsidentschaftswahlen hat seine NGO noch genau beobachtet und Wahlrechtsverletzungen dokumentiert. Dieses Mal lassen sie es sein. „Weil es keinen Sinn hat“, erklärt Grishin. Für ihn steht fest: „Diese Wahlen werden die langweiligsten, die es jemals in Kasachstan gegeben hat.“

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Quellen:

Interviews mit Andrei Grishin, Fabian Nemitz und Dastan Zhumagulov

„Kazakh Elections Raise the Specter of Unrest“, Stratfor Global Intelligence


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