Bulgarien

Haben die Reformer in Bulgarien eine Chance?

Der Chef des bulgarischen Infrastrukturfonds Vesselin Georgiew bekreuzigte sich nach seinem Prozess im Gerichtssaal, als vor wenigen Wochen sein Prozess zu Ende war. Vorerst kann der Mann, der in Bulgarien als Sinnbild für Korruption und Vetternwirtschaft gilt, von Glück sprechen. Angeblich hatte Georgiew 2008 acht öffentliche Aufträge unter der Hand an seinen Bruder vergeben. Aufgrund dieses Skandals musste Bulgarien im selben Jahr auf EU-Hilfen in Höhe von 165 Millionen Euro verzichten.

Das Verfahren gegen Georgiew ist nur ein Beispiel für die langsame und ineffiziente Rechtsprechung in Bulgarien. Der Prozess wurde schon 2009 eingeleitet. Erst sechs Jahre später hat nun das Sofioter Stadtgericht eine Entscheidung getroffen – und Georgiew unter dem Vorsitz einer umstrittenen Strafrichterin in erster Instanz für unschuldig erklärt.


Kein namhafter Politiker wurde bislang verurteilt

Bulgarien liegt beim Korruptionsindex von Transparency International auf Platz 69. Trotz zahlreicher Skandale wurde in den vergangenen Jahren kein einziger namhafter Politiker oder Oligarch verurteilt. 96 Prozent der Bulgaren haben einer Umfrage des Eurobarometers zufolge kein Vertrauen in die Justiz. Auch acht Jahre nach dem EU-Beitritt mahnt Brüssel Reformen an: Ohne eine tiefgreifende Erneuerung des Justizwesens gibt es weder eine vollwertige EU-Mitgliedschaft noch den Beitritt zum grenzenlosen Schengenraum. Auch die Verbesserung des Investitionsklimas im ärmsten Land der EU hänge davon ab, so Experten.

Doch nun scheint sich der Trend zu ändern: Der wiedergewählte Premierminister Bojko Borissow kündigte vor etwa einem Monat eine teilweise Verfassungsänderung an. Sie umfasst eine institutionelle Umstrukturierung der Justiz. Ziel ist die Einführung effektiver Mechanismen öffentlicher und interner Kontrolle, die gegen politische und wirtschaftliche Einflüsse greifen sollen. Parallel dazu wird in Bulgarien eine Anti-Korruptionsstrategie in Gang gesetzt.

Beobachter sind sich jedoch uneins, ob der Premier eine echte Reform überhaupt will. Seine Integrität wird seit geraumer Zeit durch geleakte Geheimdienstinformationen in Frage gestellt. Seine angebliche Nähe zur organisierten Kriminalität in der Vergangenheit ist belastend. Auch Borissows Absicht, mehr Vollmachten für den ihm nahestehenden Generalstaatsanwalt Sotir Zazarow zu erwirken, verstärken die Zweifel.


Hoffnungsträger Reformblock

„Die Vorzeichen für eine Reform sind aber da“, meint Daniel Smilow vom Zentrum für liberale Strategien in Sofia. „Nach einem Skandal um die Weitergabe persönlicher Daten von Regierungsgegnern aus dem Innenministerium musste Borissow die Verantwortlichen auswechseln. Ebenfalls unter öffentlichem Druck leitete das Parlament einen Untersuchungsausschuss zu der Pleite gegangenen Korporativen Handelsbank (KTB) in die Wege. Er soll Aufschluss geben über die Machenschaften von Politikern und Oligarchen, die zur Insolvenz des Instituts geführt haben.

Als Hoffnungsträger für eine neue Politik gilt der „Reformblock“, Koalitionspartner von Borissows konservativer Gerb-Partei. Er ist Nachfolger der Wendepartei „Union der demokratischen Kräfte“, die den Übergang zur Marktwirtschaft vollzog und die EU-Mitgliedschaft Bulgariens in die Wege leitete.

Lange waren die Reformer in der Opposition, nun sind sie wieder am Ruder. Nach zwei Jahren politischer Instabilität in Bulgarien übernahmen sie die schwierigsten Ressorts – Gesundheit, Verteidigung, Wirtschaft. Die Justiz wird auf Empfehlung von Brüssel von einem Quereinsteiger vom NGO-Sektor geführt.

„Entscheidend für die Reformen wird die konsequente Art von Justizminister Hristo Iwanow sein“, so Smilow. „Seine Strategie hat breite Unterstützung im Parlament.“

Doch der Teufel steckt im Detail: Von einem Herzstück der geplanten Verfassungsänderung mussten sich die Reformer bereits verabschieden – einem Amtsenthebungsverfahren für den Generalstaatsanwalt. Das Argument des größeren Koalitionspartners, Borissows Partei Gerb, lautete, dass eine Unterstützung von den anderen Parteien unrealistisch sei und der Vorschlag nur die Justizdebatte gefährde.


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