Aserbaidschan

„Sie empfinden uns als große Gefahr“

ostpol: Herr Milli, der aserbaidschanische Sportminister Asad Rahimow hat Sie Ende Juni mit folgenden Worten öffentlich gewarnt: „Wir kriegen ihn, egal wo er sich aufhält“. Wie gehen Sie mit dieser Kampfansage eines hochrangigen Regierungsmitglieds um?

Milli: Diese Drohung kommt für mich eindeutig von Ilham Aliyev, dem Präsidenten. Solche Aussagen können in Aserbaidschan nicht ohne seine explizite Anweisung gemacht werden. Ich nehme die Drohung sehr ernst. Eigentlich sollte ich sie auch als Geschenk betrachten, denn normalerweise werden keine Warnungen erteilt, wenn jemand mundtot gemacht werden soll. Jetzt bin ich zumindest alarmiert, aber ich werde meine Arbeit fortsetzen.

Sie betreiben seit etwas mehr als zwei Jahren im Berliner Exil ihre kritische und unabhängige Medienplattform MeydanTV. Sie deckt kontinuierlich Skandale in Aserbaidschan auf. Wieso kam die Drohung ausgerechnet jetzt?

Milli: Meine Medienplattform MeydanTV und deren wachsende Popularität, vor allem während der vergangenen Monate, ist der Regierung natürlich ein Dorn im Auge. Außerdem war ich einer der Wenigen, der sich international in der Presse über die Europaspiele beschwert hat.

Was war für Sie problematisch an diesen ersten Europaspielen, die im Juni in Baku stattfanden?

Milli: Ich halte sie für die größte Geldverschwendung der Geschichte unseres Landes! Mit meiner Kritik werde ich von der Regierung als Staatsfeind Nummer Eins angesehen. Außerdem war das Klima in der aserbaidschanischen Politik im Vorfeld sowie während der Europaspiele emotional sehr aufgeladen. Die Kritik an den Spielen löste große Frustration aus. Dies ist ein weiterer Grund, warum ich bedroht wurde.

Sind Veranstaltungen wie die Europaspiele nicht auch eine Chance für Aserbaidschan, den Tourismus und das Interesse an der Region anzukurbeln?

Milli: Nein, sie sind überhaupt keine Chance. Man kann nicht so viel Geld in Spiele investieren, um Touristen anzulocken. Außerdem erachte ich es als skandalös, dass 6.000 Athleten von der Regierung bezahlt wurden – wenn ich mir vorstelle, was man stattdessen mit dem Geld hätte machen können, wie vielen jungen Aserbaidschanern eine Ausbildung hätte finanziert werden können.

Wieso blieb die Einstellung vieler Aserbaidschaner zu den Spielen trotzdem positiv?

Milli: Vielen folgen der Vorgabe von Präsident Ilham Aliyev und haben Angst, eine andere Meinung zu vertreten.

Was muss sich in Aserbaidschan ändern, damit diese Angst schwindet?

Milli: Vieles. Die Regierung hat die Chance verpasst, das viele Geld aus dem Öl-und Gasgeschäft in die Entwicklung des Landes zu investieren und ein nachhaltiges Wirtschaftssystem zu etablieren. Stattdessen hat sich die Monopolstellung der Präsidentenfamilie gefestigt. Zudem werden weiterhin die Naturressourcen ausgebeutet, aber die neigen sich in zehn bis 15 Jahren dem Ende zu. Danach wird es drastische Änderungen geben – entweder werden sie in eine demokratische Richtung gehen oder in einer Verschlechterung münden.

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Blick auf die Küste von Baku im Februar 2015 / Foto: Tessy Steffen Koenig

Wollen Sie jemals in Ihre Heimat zurückkehren?

Milli: Ja, natürlich. Es kommt aber darauf an, wie sich die Lage entwickelt. Ich fühle mich eigentlich auch gar nicht so, als ob ich das Land verlassen hätte. MeydanTV beschäftigt sich schließlich mit Aserbaidschan. Außerdem merke ich, dass die aserbaidschanische Regierung unsere kleine Medienplattform in Deutschland als große Bedrohung empfindet. Das ist gewissermaßen ein großes Lob für uns. Das Regime in Baku sollte durchaus Angst haben, denn seine Politik ist auf Lügen aufgebaut, die mit der Zeit alle aufgedeckt werden. -------------------------------------------------

Zur Person: Emin Milli wurde in Aserbaidschan geboren und lebte bis 2012 in seiner Heimat. Er verbrachte aufgrund seiner kritischen Berichterstattung 16 Monate in Haft. Seit 2012 wohnt Milli in Berlin und betreibt seit Mai 2013 aus dem Exil die kritische Medienplattform MeydanTV.


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