Polen

Demontage der Demokratie

Symbole sagen oft mehr als tausend Worte. Noch bevor Polens neue Ministerpräsidentin Beata Szydlo Anfang dieser Woche vor die Presse trat, war für alle Beobachter klar ersichtlich, was die Stunde in Warschau geschlagen hat. Szydlo hatte alle EU-Fahnen aus dem Saal verbannen lassen. Hinter ihrem Rednerpult prangten „nur die schönsten weiß-roten Nationalflaggen“, wie die 52-Jährige kommentierte.

In Polen hat mit dem Regierungswechsel Mitte November die Zeit eines neuen Nationalismus begonnen. Überraschen kann das kaum. Der Rechtspopulist Jaroslaw Kaczynski, der als Chef der allein regierenden PiS-Partei im Hintergrund die Politik des Szydlo-Kabinetts bestimmt, hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass er Polen „wieder in einen souveränen Nationalstaat umbauen“ will, dessen Unabhängigkeit nicht „unter dem Stiefel von Angela Merkel zertreten wird“.

Was genau das heißt, hatte der frisch gekürte Außenminister Witold Waszczykowski schon vor seinem Antrittsbesuch am Donnerstag in Berlin klar gemacht. Der Chefdiplomat ließ wissen, Polen werde nach den Pariser Terroranschlägen seine restriktive Flüchtlingspolitik weiter verschärfen. „Wir sehen angesichts der Sicherheitslage keine Möglichkeit, Asylsuchende bei uns aufzunehmen“, erklärte er.

Weit dramatischer als in der Außenpolitik entwickelt sich aber die Lage im Innern. Kritiker der PiS-Regierung wie der populäre Publizist Tomas Lis sprechen bereits von einer „Demontage der liberalen Demokratie“. Der frühere Präsident des polnischen Verfassungsgerichts Jerzy Stepien sagt mit Blick auf die ersten Entscheidungen der neuen Machthaber: „Für mich sieht das nach einem Staatsstreich aus.“ Sein Vorgänger Andrzej Zoll assistiert: „Eine Partei will die absolute Macht. Das nennt man Totalitarismus, und wir gehen in diese Richtung.“

Tatsächlich hat im postkommunistischen Polen noch nie eine einzelne Partei so viel Macht gehabt. Die PiS regiert im Sejm und der zweiten Parlamentskammer, dem Senat, mit absoluter Mehrheit und stellt zudem in Person von Andrzej Duda seit dem Sommer auch den Staatspräsidenten. Und die Partei zögert nicht, von ihrer Macht Gebrauch zu machen. So weigerte sich Duda kurzerhand, fünf vom alten Sejm gewählte, als liberal geltende Verfassungsrichter, zu vereidigen. In der Nacht zu Donnerstag verabschiedete die PiS schließlich ein Eilgesetz, das die Richterwahl für ungültig erklärte.

Es war vor allem dieser Akt, der Stepien auf den Plan rief: „Das ist ein Anschlag auf die unabhängige Justiz“, erklärte er. Der ehemalige oberste Verfassungsrichter glaubt, dass Kaczynskis Partei das höchste Gericht entmachten will, das der PiS-Regierung zwischen 2005 und 2007 nachhaltigen Widerstand geleistet hatte – genau wie die unabhängigen Medien. Auch auf diesem Gebiet will die neue Regierung schnell handeln. Kulturminister Piotr Glinski hatte nach seinem Amtsantritt angekündigt, die Staatsmedien in „nationale Kulturinstitute“ umzuwandeln.

Hinzu kommt die höchst umstrittene Begnadigung des neuen Geheimdienstchefs Mariusz Kaminski durch Präsident Duda. Kaminski war Anfang des Jahres in erster Instanz wegen Amtsmissbrauchs zu drei Jahren Haft verurteilt worden. Nun hob Duda den Richterspruch „in letzter Instanz“ auf. Kaminski hatte in der ersten Regierungszeit der PiS zwischen 2005 und 2007 die sogenannte Anti-Korruptionseinheit CBA aufgebaut und als Kampfinstrument gegen politische Gegner in Stellung gebracht. Nun ist Kaminski wieder da – und mit ihm die Angst vor einer Aushöhlung des Rechtsstaates.


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