Russland

Prochorow - der gefallene Oligarch

Erst führte er mit Segen des Kremls eine rechtsliberale Partei an. Doch als der Geschäftsmann und Milliardär Michail Prochorow zu selbstbewusst die Macht kritisierte, wurde er kurzerhand auf seinem eigenen Parteitag demontiert. Jetzt geraten auch seine Unternehmen in Russland in Schwierigkeiten. Der Staat unterstützt seine Projekte nicht mehr, aus der Modernisierungskommission wurde er entlassen. Droht Prochorow das Schicksal anderer Oligarchen, die sich gegen das Regime stellten?

Moskau (n-ost) Er war der neue Stern am Polithimmel Russlands. Im Juni übernahm der Geschäftsmann und Milliardär Michail Prochorow die Führung der rechtsliberalen Partei Prawoje Delo (Rechte Sache). Mit ihm kamen viele Unternehmer. Sie wollten die Industrie Russlands aufbauen und die Armut beseitigen. Der smarte Mittvierziger Prochorow debattierte öffentlich mit Präsident Dmitrij Medwedew über die besten Wege zur Modernisierung Russlands. Medwedew selbst hatte ihn in seine Modernisierungskommission berufen.

Doch dem steilen Aufstieg folgte Mitte September der jähe Fall. Einige Widersacher tauschten unerwartet bei dem Parteitag einen Teil der Delegierten aus und setzten Prochorow kurzerhand als Parteiführer ab. Dies geschah mit Rückendeckung der Präsidialadministration. Prochorow beschuldigte den Kreml, illegal die Macht in der Partei erobert zu haben. Wladislaw Surkow, den stellvertretenden Präsidialamtschef, beschimpfte er auf dem Parteitag: „In unserem Land gibt es einen Marionettenspieler, der das ganze politische System privatisiert hat. Das ist Surkow.“

Seit dem politischen Absturz häufen sich auch die geschäftlichen Schwierigkeiten Prochorows. Unbekannte in Polizeiuniform stürmten eine Bank, die zu seiner Investitionsgruppe Oneksim gehört. Die Maskierten durchsuchten das Büro. Ein Sprecher von Prawoje Delo äußerte Zweifel daran, dass die Polizei echt sei. Denn auf den schwarzen Jacken trugen die Männer die Aufschrift „Miliz“, diese Bezeichnung war vor kurzem abgeschafft worden, seitdem heißen die Ordnungshüter offiziell „Polizei“. Wenige Tage nach dem Parteitag verkündete das russische Kartellamt, dass eine staatlich finanzierte Straße zu seinem Petersburger Automobilwerk nun nicht mehr gebaut werden könne. Der Grund: „Fehler in der Dokumentation.“ Schließlich schloss ihn Medwedew aus seiner Modernisierungskommission aus. Dies sei „im Rahmen der Rotation“ erfolgt, hieß es dazu nur lapidar im Erlass des Präsidenten. „Ich war sicher, dass man sich mit Innovationen und neuen Technologien beschäftigt und dass sich die Kommission außerhalb der Politik befindet“, schrieb Prochorow in seinem Blog – offenbar hatte er sich geirrt. Droht Prochorow nun das Schicksal anderer Oligarchen, die sich gegen das System stellten – Gefängnis oder Emigration?

Mit Banken, Gold und Nickel-Unternehmen hatte sich Prochorow zum Milliardär hochgearbeitet. Mediengruppen wie das multi-mediale Projekt „Snob“ runden seine Aktiva ab. 2011 ist Prochorow laut Magazin Forbes mit einem Vermögen von 18 Milliarden Dollar der zweitreichste Mann Russlands. Der 2,04 Meter große Hüne ist eine schillernde Persönlichkeit. Er unterhält seinen eigenen Wohltätigkeitsfonds, besitzt die Basketballmannschaft New Jersey Nets und liebt die Gesellschaft in französischen Nobel-Kurorten. Dort geriet er allerdings einmal in den Konflikt mit der Polizei wegen des Verdachts, die internationale Prostitution zu fördern. Vor allem stand der Junggeselle für Fortschritt: Sein Projekt des „Jo-Awto“, die Produktion eines Elektroautos, stand ganz im Zeichen der neuen Technologien, die Russland nach vorne bringen sollen.

Offenbar hat aber der forsche Unternehmer Prochorow mit seiner Partei zu viel Eigenständigkeit bewiesen. „Unsere Ressourcen bezahlen den Prunk der Beamten, das Land wird nicht entwickelt“, kritisierte Prawoje Delo im Parteiprogramm unter dem Titel „Die Macht – das sind wir selbst“. Prochorow forderte eine Kontrolle der Exekutive und eine Regierung, die von den Parteien in der Duma gebildet werden soll. „Er will keine Marionette des Kremls sein“, sagt der Vorsitzende der regionalen Parteiorganisation aus Twer, Waldimir Orechow. „Wir sind gekommen und haben erklärt, dass wir die Macht auf legitime Weise erobern wollen.“ Der Kreml habe wohl eine andere Rhetorik erwartet, meint der Parteifreund. Vor allem gab es Streit über die Kandidaten, die sich im Dezember zur Duma-Wahl stellen sollen. Prochorow will nun eine neue Partei gründen. Fraglich ist, wer den Neustart mit ihm wagt.

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