Russland

„Anschwindeln funktioniert nur einmal“

Deutsch-Russische Außenhandelskammer in Moskau gegründet„Die ganz Großen haben Auslandshandelskammern weniger nötig“, sagte Wirtschaftsminister Michael Glos am Freitag zur Gründung der deutsch-russischen Auslandshandelskammer (AHK) in Moskau. Der neue Verband, dem neben 527 deutschen bisher 30 russische Unternehmen angehören, will für deutsche und russische Unternehmen Lobbyarbeit betreiben und bietet Markt-Einsteigern in beiden Ländern Hilfe an. Von dem Angebot der 80 deutschen Auslandshandelskammern machen vor allem Kleine und Mittlere Betriebe Gebrauch, während Groß-Unternehmen im Ausland meist über ihren eigenen Apparat verfügen. Auch für deutsche Handwerker sei die AHK interessant, findet der Geschäftsführer der Kammer, Michael Harms. Warum sollten deutsche Handwerker schließlich nicht auch in Moskau beim boomenden Geschäft mit der Wohnungsausstattung Geld verdienen? Wirtschaftsminister Glos war bei seinem Besuch in Moskau guter Stimmung, nicht nur wegen stetig steigendem Handelsvolumen mit Russland. „Es war kein Zufall, dass der offizielle Geburtstag der Auslandshandelskammer mit meinem Geburtstag zusammenfällt“, meinte Glos. Bei der Terminplanung habe man auf ihn gehört.„Die Bilanz, die wir heute ziehen können, ist beeindruckend“, fand der Wirtschaftsminister. Mit einer Steigerung des bilateralen Handels um 33,5 Prozent bleibe Russland „einer unserer am schnellsten wachsenden Exportmärkte“. Das deutsch-russische Handelsvolumen erreichte im letzten Jahr die Rekordmarke von 53,5 Milliarden Euro. Für dieses Jahr rechnet man mit einer Steigerung auf 60 Milliarden Euro. Im nächsten Jahr wird Deutschland mehr nach Russland als nach China exportieren.Nach dem Ende der Sowjetunion gehörten bayerische Unternehmen zu den Pionieren bei der Erschließung des russischen Marktes. Glos gratulierte seinem Freund, dem Baustoff-Hersteller Nikolaus Knauf, dazu persönlich. Zufällig komme dieser auch aus seinem Wahlkreis. „Aber ich hätte ihm auch so gratuliert“, scherzte Glos vor etwa 350 Unternehmern. Der deutsche Wirtschaftsminister erklärte, er freue sich, dass der ehemalige Ministerpräsident Lothar de Mazière zu seiner Delegation gehöre. „Das erinnerte uns an die jüngere Geschichte zwischen unseren beiden Ländern und die große Rolle, die Russland und die alte Sowjetunion bei der friedlichen Wiedervereinigung unseres Landes spielten.“ Glos erwähnte auch das von seinem Ministerium finanzierte deutsch-russische Managerprogramm. Insgesamt 3.000 russische Nachwuchskräfte hätten bereits Fortbildungen in deutschen Unternehmen absolviert. Aus solchen Kontakten entstünden später oft Handelsbeziehungen.Die Struktur des deutschen Exports nach Russland ändert sich derweil. Während in der Vergangenheit vorwiegend Konsumartikel exportiert wurden, sind es jetzt zunehmend Ausrüstungsgüter. Die wirtschaftliche Dynamik in Russland sei mit Händen zu greifen. „Wenn man aus dem Fenster schaut, sieht man neue Wolkenkratzer in den Himmel schießen“, frohlockte Glos. Unter Freunden müsse man allerdings auch über Probleme reden können. Wichtig sei der Abbau der Bürokratie. Russland verfüge zwar über moderne Gesetze, deutsche Unternehmer beklagten allerdings immer wieder „die Anwendung dieser Gesetze.“Als weitere Ziele der Auslandshandelskammer nannte deren Geschäftsführer Harms die Suche nach jungem russischem Fachpersonal für deutsche Unternehmen. Die Kammer will außerdem vereinfachte Visa-Regelungen für russische Unternehmer durchsetzen. Russischen Forschungsinstituten und Universitäten wolle man beim Verkauf von Lizenzen in Deutschland helfen. Die Angst vor russischer Billig-Ware von schlechter Qualität sei hingegen unbegründet. Eher seien seriöse Investitionen zu erwarten. Das zeige die Übernahme des Eisenbahn-Hersteller „Fahrzeugtechnik Dessau“ durch den russischen „Transmasch“-Konzern, so Harms.Der designierte AHK-Präsident Claus Hipp erklärte, russischen Unternehmern täte es gut, deutsche Unternehmenskultur kennen zu lernen. Hipp, der Inhaber des gleichnamigen Baby-Nahrungs-Unternehmens, will ab Herbst nächsten Jahres in Russland produzieren. Hipp sei die teuerste Marke im Sektor der Babynahrung, in Russland aber dennoch sehr erfolgreich. Angesprochen auf die Kriminalität in Russland meinte der Unternehmer: „Kriminalität gibt es in jedem Land. Es ist die Aufgabe der Kammer, den Begriff des ehrbaren Kaufmanns wieder publik zu machen. Es lässt sich jeder nur einmal anschwindeln, zweimal nicht.“ AHK-Geschäftsführer Michael Harms hat ostdeutsche Wurzeln, wie viele Vertreter deutscher Firmen in Moskau. Der 43-jährige Dresdner war bisher Delegierter der deutschen Wirtschaft in der russischen Hauptstadt. Die Unternehmen aus den neuen Bundesländern hätten auf dem russischen Markt eine gute Position, meint Harms. „Die Sachsen sind, was Automobilindustrie und Maschinenbau betrifft, sehr gut aufgestellt.“ Viele ostdeutsche Unternehmen, die sich in den 90er Jahren von Russland abgewandt haben, „um den Westen zu entdecken, kommen jetzt nach Russland zurück“.ENDE


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