Armenien

Ein See kämpft ums Überleben - zum Weltwassertag am 22. März

Ein kalter Wind streift über die Wasseroberfläche, am Ufer glitzert Schnee. Hochgebirgsidylle mitten in Armenien, auf fast 2.000 Meter Höhe. Der Sewansee ist einer der größten Hochgebirgsseen der Erde, 78 Kilometer lang und 56 Kilometer breit. Ganz friedlich wirkt der Sewan auf den ersten Blick. Doch der Schein trügt. Denn der Wasserspiegel des Sees steigt unaufhörlich. Allein in diesem Jahr waren es sprunghafte 78 Zentimeter.

Das bringt einige Probleme mit sich: Durch die Überflutung von Uferstraßen, Wurzelwerk und Gebäuden droht dem See Versumpfung. Sein ökologisches Gleichgewicht sei bedroht, sagt der Biologe Barduch Gabrieljan, der das Institut für Hydroökologie und Fischkunde der armenischen Akademie der Wissenschaften in Eriwan leitet. „Das wäre eine Katastrophe, denn der Sewansee mit seinen Frischwasserreserven ist ein einzigartiges Mikrosystem, das auch für die Forschung bedeutsam ist“, so der Experte. Und nicht nur das: Der See als größter Süßwasserspeicher im Südkaukasus reguliert zudem den Grundwasserspiegel in der Region.


Blick über den Sewansee / Veronika Wengert, n-ost

Die Situation klingt paradox, denn noch vor wenigen Jahrzehnten hatte der Sewansee genau das umgekehrte Problem: Infolge exzessiver Bewässerung und Nutzung für Energiezwecke sank sein Wasserspiegel zu Sowjetzeiten um mehr als 20 Meter. Die damalige Regierung schuf Abhilfe und fräste einen knapp 50 Kilometer langen Tunnel in die armenische Bergwelt, der Anfang der 1980er Jahre fertig gestellt wurde. Über ihn wurde Wasser aus einem höher gelegenen Stausee in den Sewan umgeleitet. „Nun fließt jedoch mit 28 Zuflüssen und nur einem Abfluss zu viel Wasser hinein, hinzu kommen Regen und Schmelzwasser“, erklärt Biologe Gabrieljan. Schuld daran seien die klimatischen Veränderungen der vergangenen Jahre.

Die armenische Regierung hat bereits reagiert und begonnen, Wald und Gebäude abzutragen. „Meist handelt es sich dabei um bewegliche Bauten wie Ferienheime aus Sowjetzeiten oder Fischerhütten, aber auch Pumpstationen“, erklärt der Direktor des gleichnamigen Nationalparks Sewan, Gagik Martirosjan. Dazu habe man zwei Spezialbagger beschafft, die mehrere Hektar Bäume und Sträucher am Ufer entwurzeln sollen. Zudem werden bis zu 500 Bauten ihren Standort wechseln, so die Pläne für die kommenden Jahre.


Biologe Gabrielyan über die Ursachen für den Rückgang des Wassers. / Veronika Wengert, n-ost

Doch nicht nur der Wasserspiegel bedroht Flora und Fauna im See. Alarmierend sei auch die Überfischung, sagt Gabrieljan. Sein Forschungsinstitut hat schon vor mehreren Jahren empfohlen, den Fischfang im See komplett zu verbieten. „Meist nimmt der Staat unsere Empfehlungen an, nur mit der Kontrolle der Umsetzung hapert es dann, denn man kann die Fische aus dem See noch überall kaufen.“ Drei typische Forellenarten sind es, die den Bestand so berühmt machen und vielen Menschen in der Region ihr Auskommen sichert. Es geht jedoch voran: Vor kurzem wurde von staatlicher Seite eine Fisch-Schutzzone im See eingerichtet. Reich ist die Region hingegen auch an Erzvorkommen, das hier gefördert wird. Der Bau einer Goldwäscherei in Ufernähe konnte vor wenigen Jahren von Umweltschützern gestoppt werden – eine Bedrohung weniger für den Sewan-See, der ums Überleben kämpft.


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