Bulgarien

Bansko - zwischen Idylle und Bausünden

Der deutsche Pianist Sebastian Laverny klimpert mit seinem Quartett eine jazzige Hommage an Johann Sebastian Bach. Vor der Bühne lauschen aufmerksam einige hundert Konzertgäste. Noch einmal so viele erfreuen sich an der Musik wie an einem Soundtrack für einen lauen Sommerabend: Mit einem kühlen Getränk in der Hand schlendern sie durch den Ortskern von Bansko oder sitzen in geselliger Unterhaltung in den vielen Cafes und Restaurants rund um den Vapzarov-Platz.

Die Atmosphäre beim Internationalen Jazzfestival Bansko ist entspannt, die dargebotene Musik gefällig. Sie spricht eher die Masse an als auf Experimentelles fixierte Jazz-Puristen. Seit 1998 kommen jeden August Jazzmusiker und ihre Fans aus vielen Ländern in das Städtchen, das auf einer grünen Hochebene zwischen Bulgariens beiden alpinen Gebirgen Rila und Pirin liegt.


Hotel und Appartmentskomplexe stehen leer

Über die Grenzen Bulgariens hinaus bekannt ist Bansko aber viel mehr für das, was es im Winter bietet: Vorzügliche Bedingungen für Skifahrer verlockten Immobilieninvestoren in den vergangenen Jahren dazu, Hotels und Apartmentkomplexe en masse zu bauen. Bansko gilt inzwischen als Skihauptstadt des Balkans – sein Wintersportgebiet unterhalb des 2.914 Meter hohen Bergs Vichren braucht den Vergleich mit Skiorten in den Alpen nicht zu scheuen. Im Winter macht hier regelmäßig der Weltcup-Skizirkus Station.

Der Bau-Boom hat Bansko aber auch – gemeinsam mit dem Schwarzmeerbad Slantsev Brjag (Sonnenstrand) – zum Symbol der bulgarischen Immobilienblase gemacht, die während der internationalen Finanzkrise 2009 geplatzt ist. „Selbst im Winter drückt die Überkapazität an Betten die Übernachtungspreise“, erzählt Vladimir Velev, Rezeptionist in einem der unzähligen modernen „Aparthotels“. Noch auf Jahre hinaus wird Bansko danach streben müssen, Angebot und Nachfrage an Übernachtungsmöglichkeiten auszugleichen.

Konflikte sind dabei garantiert, denn während die Stadt das Skigebiet ausweiten möchte, um noch mehr Wintergäste anzulocken, wehren sich Umweltschützer vehement dagegen. Sie werfen dem Skilift-Betreiber Julen AG vor, das Skigebiet schon jetzt über das ihm per Konzessionsvertrag zustehende Gelände hinaus erweitert zu haben. Noch mehr Lifte und Pisten, so fürchten sie, könnte den Nationalparks Pirin zerstören. Er zählt seit 1983 wegen seiner seltenen Flora und Fauna zum UNESCO-Weltnaturerbe.


Steinhäuser mit roten Ziegeldächern

Im Ort konzentrieren sich die riesigen Ferienimmobilien auf die Randgebiete, vor allem in der Nähe der Talstation der Seilbahn sind die Folgen des Bau-Booms zu besichtigen. Banskos malerischer Stadtkern um die Kirche Sveta Troitsa ist bis auf wenige Ausnahmen von Bausünden verschont geblieben. Hier kann man noch über urige gepflasterte Straßen flanieren. Authentische Lokale, Mechanas genannt, laden in den typischen Steinhäusern mit den roten Ziegeldächern zur Einkehr ein. Während des Jazzfests tummeln sich in den Sträßchen und Gassen die Touristen.

Ein alltägliches Bild ist das allerdings nicht in Bansko: „Glauben Sie bloß nicht, es wäre den ganzen Sommer in Bansko so viel los wie während des Jazzfestes“, sagt Rezeptionist Vladimir Velev nüchtern. Von den „Aparthotels“ haben im Sommer nur einige geöffnet. Inspiriert vom Erfolg des Jazzfestivals versucht die Stadt seit 2010, auch mit klassischer Musik Sommergäste anzulocken. In diesem Jahr findet das Bansko Opera Fest am 30. und 31. August statt und ehrt Guiseppe Verdi anlässlich dessen 200. Geburtstags. So kommen die Bewohner von Bansko und ihre Gäste in den Genuss von Verdis Rigoletto, umsonst und draußen auf dem Vapzarov-Platz.


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