Russland

Schärfere Internetsperren vor Sotschi

Genau eine Woche vor Beginn der Olympischen Winterspiele in Sotschi tritt mit dem 1. Februar ein neues Gesetz in Kraft, das der russischen Regierung größeren Spielraum beim Sperren von Webseiten gibt als jemals zuvor. Offiziell dient das dem Kampf gegen Terrorismus. Demnach soll über Web-Blockaden verhindert werden, dass Aufrufe zu Attentaten oder „Massenunruhen“ weiterverbreitet werden.

Da aber die Befugnis allein bei der Generalstaatsanwaltschaft liegt, warnt der Menschenrechtsrat in Russland laut russischen Medienberichten vor Missbrauchsgefahr. Das Gesetz könne „zur Blockierung jedes sozialen Netzwerks führen und damit zur Verletzung der Nutzerrechte von Millionen Menschen“.

Kritiker befürchten, dass Menschen auch daran gehindert werden sollen, sich über soziale Netzwerke zu Protesten zu verabreden, während der Olympischen Spiele und lange nachdem diese wieder vorbei sind. „Es geht um jeden Massenprotest oder alle Veranstaltungen, die Gesetze verletzen“, sagte Internet-Aktivist und Blogger Alexej Sidorenko auf einer Podiumsdiskussion der Organisation Reporter ohne Grenzen (ROG) am Mittwochabend in Berlin. Das schließe faktisch jeden auf Facebook veröffentlichten Protestaufruf ein. Bislang seien in Russland durch bereits bestehende Gesetze zu Internetsperren 35.000 Domains betroffen, wobei nur zwei Prozent der dabei abgeschalteten Inhalte das tatsächliche Ziel gewesen seien. „Der Rest ist Kollateralschaden, weil umfassend über die IP-Adresse geblockt wird.“

Die schwarzen Listen des Geheimdienstes FSB

Über ein System namens SORM wird das russische Internet bereits vom Inlandsgeheimdienst FSB mit weitreichenden Befugnissen überwacht. Darüber hinaus gibt es schon zwei „schwarze Listen“ für Internetsperren. Eine davon zielt seit dem Jahr 2007 auf extremistische Inhalte und wird, so der Geheimdienstexperte Andrej Soldatow auf dem ROG-Podium, durch ein Gericht verhängt. Das zweite Register, wirksam seit Ende 2012, greift offiziell, wenn es um Kinderpornografie, Anleitungen zum Selbstmord oder Drogenmissbrauch geht. Darüber wacht die Medienaufsichtsbehörde Roskomnadzor.

Besorgt verfolgt diese Entwicklung die kleine, nicht offiziell zugelassene russische Piratenpartei. Wo es möglich war, hat sie gesperrte Seiten bislang über andere Server offen gehalten. „Wir helfen keinen Terroristen“, betont Piratenpartei-Chef Pawel Rassudow auf Nachfrage. „Wie bisher werden wir aber gesellschaftlich relevante Informationen weiter verbreiten, insbesondere die, die man unterdrücken will.“ Dazu gehört für ihn auch die Ankündigung von Protesten.

Mit Blick auf einen weiteren Vorstoß, der seit Mittwoch die Duma beschäftigt, befürchtet Rassudow „die totale Überwachung für Internetnutzer“. Käme dieser Vorschlag durch, der Teil eines weiteren, dicken Gesetzespakets im Anti-Terror-Kampf ist und als direkte Reaktion auf die blutigen Anschläge von Wolgograd im Dezember gewertet wird, müssten sich Medien, Provider und soziale Netzwerke registrieren, sobald Nutzer auf ihren Seiten miteinander kommunizieren – und sechs Monate Vorratsdatenspeicherung gewährleisten.


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