Ungarn

Flüchtlinge in Osteuropa unerwünscht

„Wenn du nach Ungarn kommst, darfst du uns nicht die Arbeit wegnehmen!“, heißt es auf großen blauen Plakaten, die derzeit überall in Ungarn zu sehen sind. Urheber dieser Aktion ist nicht etwa eine rechtsextreme Gruppierung, sondern die Regierung von Ministerpräsident Viktor Orban.

Mit einer massiven öffentlichen Kampagne macht die rechtsnationale Regierung in Budapest derzeit Stimmung gegen die Aufnahme von Flüchtlingen. Mit einem 175 Meter langen Zaun will sie nun die Grenze zum Nachbarland Serbien für Migranten schließen, die hauptsächlich aus Syrien, dem Irak oder Pakstian über den Balkan illegal nach Ungarn kommen. Die Zahl der Asylanträge hat sich laut Regierung seit 2013 verdreifacht.


Fragebogen-Aktion zu Flüchtlingen

Regierungschef Orban gibt offen zu, er wünsche keine „massenhafte Vermischung“ mit anderen Kulturen und Religionen. Bis Juli werden die Ungarn gebeten, im Rahmen einer „nationalen Konsultation“ Fragebögen zum Thema Einwanderung auszufüllen. Darin wirbt die Regierung mit manipulativen Fragen um Zustimmung für ihre Anti-Flüchtlingspolitik. So wird beispielsweise gefragt, ob die EU-Einwanderungspolitik den internationalen Terrorismus fördere.

Ungarn ist mit seiner Haltung nicht allein. So lehnen mit Ausnahme von Rumänien alle osteuropäischen EU-Staaten auch eine verbindliche Quote ab, die die 40.000 Flüchtlinge aus Nordafrika auf alle EU-Staaten verteilen soll. Selbst Länder, in denen es bislang kaum Migranten gibt, sperren sich gegen die Aufnahme. Dabei geht es um verhältnismäßig kleine Zahlen: Nach der von der EU vorgeschlagenen Quotenregelung müsste beispielsweise die Slowakei lediglich etwa 780 Flüchtlinge aufnehmen.


Es geht um geringe Zahlen

„Obligatorische Solidarität ist äußerst schädlich“, sagte der slowakische Innenminister Robert Kalinak am Dienstag. Die Flüchtlinge stellten ein Sicherheitsrisiko dar. Man sei nicht in demselben Maße auf die Integration von Menschen aus anderen Kulturkreisen vorbereitet wie westeuropäische Staaten, so der Vorsitzende des außenpolitischen Ausschusses im slowakischen Parlament, Frantisek Sebej von der Partei Most-Hid.

Auch Polen will höchstens 1.500 Flüchtlinge statt der vorgesehenen knapp 2.700 ins Land lassen – unter der Bedingung, dass diese nach Möglichkeit Christen sein müssten. Die baltischen Staaten wollen gar nur je 50 bis 150 Flüchtlinge aufnehmen statt der vorgeschlagenen 1.000 für Estland und etwa 700 für Lettland und Litauen.

Die Quote sei „unfair und nicht sinnvoll“, so die litauische Präsidentin Dalia Grybauskaite. Geholfen werden müsse den Herkunftsländern, nur so könne Migration gestoppt werden. Ansonsten fördere Europa das Geschäft von Menschenhändlern. Bulgarien wiederum weist darauf hin, dass es ohnehin schon mit einer Flüchtlingswelle aus Syrien konfrontiert sei – an der Grenze zur Türkei hat Bulgarien bereits einen Zaun errichten lassen.


Unterschriften gegen Muslime

Die ablehnende Haltung seiner Landsleute sei nicht auf existentielle Befürchtungen zurückzuführen, analysiert der tschechische Journalist Ondrej Stindl von der Zeitschrift „Echo24“ stellvertretend für viele Osteuropäer. Hinter der Angst vor dem Fremden stecke der „Traum von einem tschechischen Tschechien“. Dieser Traum sei aber nicht nur realitätsfern, er lohne sich auch aus vielerlei Gründen nicht geträumt zu werden. Die Emotionalität, mit der die Debatte geführt werde, entspreche auch nicht der tatsächlichen „Bedrohung“, die die geringe Flüchtlingszahl für das Land darstelle.

In Tschechien unterzeichneten vor kurzem 46.000 Menschen eine Petition gegen die geplante Aufnahme von 1.300 Flüchtlingen. Angestoßen hatte sie der landesweite „Block gegen den Islam“, der aus einer Facebook-Initiative hervorging und der von Politikern und großen Firmen unterstützt wird. Seine Anhänger lehnen nicht nur radikale Muslime, sondern den Islam insgesamt ab.

Dabei leben in Tschechien nur rund 10.000 Muslime, das sind 0,1 Prozent der Gesamtbevölkerung. Dennoch hatte bereits im Winter die geplante Aufnahme von 15 syrischen Flüchtlingsfamilien zu einer nahezu hysterischen Debatte über die drohende Islamisierung des Landes geführt. Die Regierung stimmte letztlich nur unter der Bedingung zu, dass es sich vorrangig um christliche Familien handeln müsse.

Die slowakische Zeitung „Dennik N“ erinnert an die Wellen tschechoslowakischer Emigranten, die während des Kommunismus, insbesondere nach der Niederschlagung des Prager Frühlings 1968, aus dem Land geflohen waren. Die Tschechen und Slowaken seien daher nicht nur denjenigen Staaten etwas schuldig, die diese Emigranten damals aufgenommen hätten, „sondern ganz generell Menschen in Not“.


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