Boom im deutsch-russischen Handel
Frankfurt/Main (n-ost) – Wenn sich Bundeskanzlerin Angela Merkel und Russlands Präsident Wladimir Putin am 26. und 27. April im sibirischen Tomsk zu Konsultationen treffen, dann wird ihnen das Thema Wirtschaft viel Freude bereiten. Wirtschaftlich herrscht derzeit im deutsch-russischen Verhältnis fast eitler Sonnenschein: Der deutsch-russische Handel boomt wie nie. Besonders gefragt sind deutsche Maschinen, Kraftfahrzeuge und chemische Produkte. Lediglich das Thema Rohstoffversorgung wirft nach der Ankündigung von Gazprom, in Zukunft verstärkt Asien zu beliefern und im Gegenzug die Lieferungen nach Westeuropa zu verringern, einen leichten Schatten auf die Bilanz.
Im Jahr 2005 wuchs der deutsch-russische Handelsumsatz nach Angaben des Ostausschusses der deutschen Wirtschaft um fast 25 Prozent. Die deutschen Exporte nach Russland nahmen dabei um 15,4 Prozent zu. Russland war damit der am schnellsten wachsenden Märkte für deutsche Produkte weltweit. Deutschland ist der größte Handelspartner Russlands, umgekehrt zählt Russland für Deutschland zu den elf wichtigsten Handeslpartnern. Der Warenaustausch zwischen beiden Ländern betrug im vergangenen Jahr 39 Milliarden Euro.
„Der wachsende Mittelstand in Russland eröffnet viele Chancen für deutsche Unternehmen. Der starke Modernisierungsbedarf der russischen Wirtschaft dürfte auch in den nächsten Jahren zu enormen Steigerungen der deutschen Exporte im Maschinen- und Anlagenbau sowie bei den technischen Dienstleistungen führen“, blickt der Vorsitzende des Ostausschusses der deutschen Wirtschaft, Klaus Mangold, optimistisch in die Zukunft.
Gestützt wird die wachsende Nachfrage der Russen nach deutschen Produkten durch ein stabiles Wirtschaftswachstum Russlands, das in den vergangenen fünf Jahren bei durchschnittlich sechs bis sieben Prozent lag. Sicherlich ist dieses Wirtschaftswachstum auch Folge der hohen Öl- und Gaspreise, von denen die rohstofflastige russische Exportwirtschaft besonders profitiert. Allerdings versucht die russische Regierung nun verstärkt die Abhängigkeit vom „schwarzen Gold“ durch die Förderung von Investitionen in anderen Wirtschaftsbereichen zu verringern. So wurden in der Steuergesetzgebung und dem Zollrecht Regelungen deutlich vereinfacht und sechs Sonderwirtschaftszonen ausgewiesen, um mehr ausländisches Kapital anzulocken. Unternehmen, die in diesen Zonen investieren, werden für fünf Jahre von der Vermögens- und Grundstückssteuer befreit.
Die deutsche Wirtschaft reagiert auf die zunehmende Attraktivität des Standortes Russland und investierte im vergangenen Jahr 2,7 Milliarden US Dollar. Beispiele für eine gelungene Expansion deutscher Unternehmen auf den russischen Markt gibt es viele: Der Handelskonzern Metro betreibt bereits 22 Großmärkte in Russland und eröffnet 2006 auch Warenhäuser in von Moskau entfernten Regionen wie Perm am Ural und Uljanowsk an der Wolga. Die Firma Bosch hat 2005 ihren Umsatz in Russland auf knapp 300 Millionen Euro gesteigert und eröffnet 2007 eine neue Fabrik in St. Petersburg. Volkswagen plant den Bau einer Automobilfabrik in Russland und Siemens, schon lange auf dem russischen Markt sehr erfolgreich, hat ein Joint Venture mit dem russischen Elektronikkonzern Sitronics geschlossen.
Ein „heißes Eisen“ in den deutsch-russischen Wirtschaftsbeziehungen bleibt die Energieversorgung. Der Hinweis des Gazprom Chefs Miller, dass man in Zukunft der Versorgung Asiens Priorität vor den Lieferungen nach Westeuropa geben könnte, hat in Deutschland für einige Unruhe gesorgt. Allerdings orientiert sich Russland schon seit einiger Zeit wirtschaftlich in die aufstrebenden asiatischen Märkte. So bauen die Russen eine Pipeline nach Nachodka, an die russische Pazifikküste, um von dort aus Japan und andere asiatische Länder mit Öl und Gas zu versorgen. Mit China arbeitet Russland mittlerweile politisch und wirtschaftlich eng zusammen. Beim Besuch Putins in Peking im März 2006 wurde der Bau zweier Gaspipelines aus Russland nach China bis zum Jahr 2001 vereinbart.
Deutschland und Westeuropa bleiben auf absehbare Zeit allerdings die wichtigsten Märkte für russische Energielieferungen und die russische Regierung betont gerne ihre Rolle als ein zuverlässiger Energielieferant. Es dürfte den Verantwortlichen im Kreml und in der Chefetage von Gasprom bewusst sein, dass Zweifel an der Zuverlässigkeit Russlands als Energielieferant Gift für den florierenden deutsch-russischen Handel wären.
ENDE
Matthias von Hofen