Russland

Trümmer im Schwarzen Meer

Moskau (n-ost) – Vermutlich schlechtes Wetter verursachte den Absturz eines Airbus nahe des russischen Schwarzmeerbades Sotschi. Das Flugzeug der armenischen Fluggesellschaft „Armavia“, das aus der armenischen Hauptstadt Jerewan kam und in Adler - in der Nähe des Kurortes Sotschi - landen sollte, war am Mittwoch kurz nach zwei Uhr nachts beim zweiten Landesversuch „in steilem Winkel“ sechs Kilometer vor der Küste ins Meer gestürzt. Dies erklärte der Sprecher des russischen Katastrophenministeriums, Wiktor Belzow. Der erste Landeanflug war vermutlich wegen schlechter Sicht abgebrochen worden.

An Bord der Maschine befanden sich 113 Menschen darunter acht Besatzungsmitglieder. Bis Mittwochnachmittag wurden 46 Leichen geborgen. Der Großteil der Passagiere waren Armenier. Außerdem befanden sich an Bord 26 Russen und eine Ukrainerin. Nach bisher unbestätigten Meldungen sollen unter den Passagieren auch Georgier gewesen sein. Unter den Opfern soll auch der armenische KGB-Chef Usik Arutjunjan sein.

Unmittelbar nach der Katastrophe sammelten sich verzweifelte Armenierinnen vor dem Flughafen von Adler in der Hoffnung auf eine Nachricht von ihren Angehörigen. Die Frauen standen unter Schock und stützten sich gegenseitig. Ein stämmiger Kaukasier mit grauen Locken erklärte gegenüber dem russischen Fernsehkanal ORT, er habe die Angehörigen über das Unglück informiert.„Ich habe ihnen gesagt, dass das Flugzeug im Wasser ist,“ erklärte der Mann aufgeregt gegenüber dem Fernsehkanal ORT. Aus Moskau wurden Psychologen zur Betreuung der Angehörigen nach Adler geflogen.

Keine der geborgenen Leichen hatte eine Schwimmweste an. Offenbar kam das Unglück völlig überraschend. Es ist der erste Airbus, der über russischem Territorium abstürzte. Eine Sprecherin der russischen Generalstaatsanwalt schloss einen Terrorakt aus. Dafür gäbe es „keine Fakten“. Augenzeugen berichten, dass es vor der Tragödie keine Explosion gab.
Der Flugzeugbauer Airbus will ein Expertenteam nach Sotschi schicken. Auch Airbus wies auf die schlechten Wetterbedingungen hin.

[Alexej Komarow, ein russischer Experte für Luftsicherheit, erklärte aber gegenüber dem russischen Fernsehkanal NTW, der Airbus könne aufgrund seiner hochentwickelten Technik auch fast ohne jede Sicht landen. Voraussetzung sei allerdings, dass der Landeflughafen technisch entsprechend ausgerüstet ist.]

Ein Vertreter des Bodendienstes vom Flughafen Sotschi erklärte gegenüber der Nachrichtenagentur Interfax, dem Flugzeug habe es für das zweite Landemanöver möglicherweise an Geschwindigkeit gemangelt. [Beim ersten Landeversuch hatten sich die Sichtbedingungen in 290 Meter Höhe plötzlich stark verschlechtert. Die Sichtweite betrug nur noch 100 statt der erforderlichen 170 Meter. Die Besatzung bekam die Aufforderung auf 600 Meter Höhe zu steigen. Das Flugzeug flog eine Kurve und erreichte eine Höhe von 500 Metern. Dann verschwand der A 320 vom Radarschirm. Möglicherweise habe die Geschwindigkeit von 250 Stundenkilometern nicht für das Manöver gereicht, meinte der Experte.]

Nach einer Meldung der russischen Nachrichtenagentur Itar-Tass steuerte der Pilot das Flugzeug wegen der schlechten Sichtbedingungen bereits zurück nach Jerewan, setzte dann aber doch zum Landeanflug in Adler an, weil das dortige Bodenpersonal eine Wetterverbesserung gemeldet hatte.

Das Flugzeug war im Jahr 1995 gebaut worden und hatte bereits 14.500 Flüge hinter sich. Bis 2002 stand die Maschine im Dienst einer australischen Fluggesellschaft. Vertreter der Fluggesellschaft „Armavia“ erklärten, die Maschine sei gerade gründlich gewartet worden. Der stellvertretende Direktor von „Armavia“, Andrej Atadschanow, erklärte, die Maschine sei in einem „idealen technischen Zustand“ gewesen. Die Besatzung war „eine der erfahrendsten“.

[Den ganzen gestrigen Tag suchten Rettungsboote über der Absturzstelle nach Toten und Überlebenden. Die See war unruhig, es gab heftigen Wind. Im Wasser trieben Schwimmwesten, Gepäckteile und ein große Flugzeug-Trümmerstücke Die Männer im Ölzeug bargen Tote und fischten das Heckteil des Flugzeugs sowie kleinere Trümmer aus dem Meer.]

Nach Meinung der Experten gibt es nur wenig Hoffnung, dass man den Flugschreiber findet. Die Trümmer liegen weit verstreut auf dem stark zerklüfteten Meeresboden. Die Überreste des Flugzeugs liegen in 500 bis 600 Meter Tiefe. Taucher können nur bis 200 Meter vordringen. Deshalb will man den Unterwasserroboter „Gnom“ einsetzen.

Die Präsidenten Russlands und Armeniens, Wladimir Putin und Robert Kotscharjan, verständigten sich in einem Telefongespräch darauf, am Sonnabend in beiden Ländern einen Trauertag abzuhalten.

Ende



Ulrich Heyden


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