Russland

Moskauer Daumenschrauben für Lukaschenko

Moskau (n-ost) – Kreml-Chef Putin legt seinem eigenwilligen Amtskollegen Aleksandr Lukaschenko jetzt die Daumenschrauben an. Wie die Moskauer Zeitung „Kommersant“ unter Berufung auf Quellen im Kreml berichtete, hat der russische Präsident am 9. Mai eine Anordnung unterzeichnet, nach der die Vergünstigungen bei den Energielieferungen nach Belarus komplett gestrichen werden sollen. Eine offizielle Bestätigung für diese Meldung gibt es bisher allerdings nicht.

Außerdem will Moskau in Zukunft verhindern, dass Belarus billiges russisches Öl weiterverarbeitet, um es dann selbst ins Ausland zu exportieren.

An dem schwunghaften weißrussischen Ölexport verdient der russische Haushalt keine Kopeke. Weil zwischen Belarus und Russland eine Zollunion existiert, zahlen russische Ölexporteure bei Lieferungen nach Belarus keinen Exportzoll. Moskau fordert von Belarus die Hälfte der Exporteinnahmen aus dem Ölexport in dritte Länder. Doch Minsk weigert sich beharrlich.

Eine drastische Erhöhung der Energiepreise könnte in Belarus zu einer schweren sozialen Krise führen und das Regime des autoritär herrschenden Aleksander Lukaschenko gefährden, meinte Kirill Koktysch vom Moskauer Institut für Auswärtige Beziehungen, gegenüber dem Moskauer Blatt. Das „weißrussische Wirtschaftswunder“ basiert vor allem auf den billigen russischen Energielieferungen. Mit dem ökonomischen Druck will Moskau offenbar erreichen, dass Lukaschenko von seinen weitreichenden Forderungen beim Vereinigungsprozess mit Russland Abstand nimmt und sich dem russischen Willen unterordnet. Seit 2000 gibt es einen Unions-Vertrag zwischen beiden Staaten. Der Vertrag ist jedoch nicht mehr eine Absichtserklärung. Die Verhandlungen über die Angleichung der Wirtschafts- und Finanzsysteme bleiben immer wieder stecken.

„Terroristischer Akt“

Das Verhältnis zwischen den beiden slawischen Brüdern ist höchst wechselhaft. Putin verteidigt Lukaschenko gegen westliche Kritik an den Wahlfälschungen. Und Lukaschenko kennt seinen Wert. Er weiß, dass Moskau eine bunte Revolution in Belarus verhindern will. So führt sich der eigenwillige Selbstherrscher immer wieder auf wie ein ebenbürtiger Partner und tanzt dem Kreml auf der Nase herum. Ab und zu platzt Putin dann der Kragen. Als der russische Gasprom-Konzern im Februar 2004 die Gaslieferungen an Belarus für einen Tag einstellte, sprach Lukaschenko von einem „terroristischen Akt“.

Mit seiner Eigenwilligkeit riskiert Lukaschenko, dass es nie zu dem erträumten Unions-Staat kommt. In Belarus sinkt die Zahl der Vereinigungsbefürworter von Jahr zu Jahr. Während vor sechs Jahren noch die Hälfte aller Weißrussen für eine Vereinigung mit Russland waren, sind es heute nur noch zwischen fünf und sechs Prozent. Wenn die Moskauer Gerüchte stimmen, dass Putin nach dem Ende seiner Amtszeit als russischer Präsident das Amt des Unions-Präsidenten anstrebt, müsste der Kreml etwas für einen Stimmenumschwung in Belarus tun. Hohe Energiepreise werden dagegen das nationale Selbstbewusstsein der Weißrussen stärken.


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Marktpreise für Weißrussland

Ab Anfang nächsten Jahres will Russland sein Gas nur noch zu Marktpreisen liefern. Gasprom-Sprecher Sergej Kuprianow erklärte Anfang Mai, der Preis werde von 46 Dollar für 1.000 Kubikmeter auf 145 Dollar steigen. Weißrussland will dagegen nicht mehr als 52 Dollar zahlen. Der Gasprom-Sprecher will nicht ausschließen, dass der Preis auf 230 Dollar steigt, wenn es bei den Verhandlungen zu Problemen komme. Russland verlangt außerdem die Kontrolle über die weißrussischen Pipelines - eine Forderung, die Minsk nicht akzeptiert.

Das Handelsvolumen zwischen Belarus und Russland betrug 2005 15,8 Mrd. Dollar. Russland exportierte für zehn Milliarden Dollar (vor allem Gas und Elektroenergie) und importierte für fünf Milliarden Dollar (vor allem Maschinen und landwirtschaftliche Produkte).

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Ulrich Heyden


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