Russische Gipfel-Kritiker
Schachgroßmeister Garri Kasparow profiliert sich mit einer Gegenveranstaltung zum G 8-GipfelMoskau (n-ost) – In Russland wollen bekannte Persönlichkeiten anlässlich des G 8-Gipfels, der vom 15. bis 17. Juli in der Nähe von St. Petersburg stattfindet, eine Gegenkonferenz organisieren. „Man muss endlich aufhören, so zu tun, als ob Russland ein Partner des Westens ist“, erklärte der ehemalige Schachweltmeister Garri Kasparow, einer der Organisatoren der Konferenz, im Gespräch mit dieser Zeitung. Die Alternativ-Konferenz unter dem Motto „Das andere Russland“ soll am 11. und 12. Juli in Moskau stattfinden. Zugesagt hätten Vertreter von Menschenrechtsgruppen und fast aller Oppositionsparteien von den Liberalen bis hin zu den Kommunisten. Themen der Konferenz sind die Einschränkung politischer und wirtschaftlicher Freiheiten, Armut, Korruption, Ökologie und Ausländerhass.Neben Kasparow ist Putins ehemaliger Wirtschaftsberater Andrej Illarionow an der Organisation der alternativen Veranstaltung beteiligt. Auf einer Pressekonferenz in Moskau erklärte der ehemalige Staatsbeamte, er habe angesichts des Gipfels „zwiespältige Gefühle“. Für Jemanden, der daran mitgewirkt hat, dass Russland 2002 Mitglied der G 8 wurde, sei der Gipfel „ein großes Ereignis.“ Russland habe aber die Hoffnung nicht erfüllt, dass die Mitgliedschaft zu zügiger Anpassung an die internationalen Standards führt. Zwar sei der Rubel jetzt eine frei konvertierbare Währung. Was die Zivilgesellschaft und die institutionelle Entwicklung des Staates betrifft, habe sich Russland sogar weiter von den anderen Mitgliedern des Klubs entfernt.Der Kreml warntGarri Kasparow wird noch deutlicher. Russland habe „eine korrumpierte Leitungsstruktur“. Die russische Führung habe „andere Ansichten über die Weltordnung, als Deutschland, Frankreich und Amerika“, sagte der Schachgroßmeister. Dass Russland in diesem Jahr den Vorsitz der G 8 hat, „diskreditiert die Idee der entwickelten Industriestaaten und Demokratien.“ Putin-Widersacher Garri Kasparow, Foto: Ulrich HeydenIm Kreml ist man über die Konferenz der Opposition nicht begeistert. Putin-Berater Igor Schuwalow sagte der Financial Times Deutschland, man sehe die Teilnahme ausländischer Diplomaten an dem Kongress als unfreundlichen Akt. Doch die ausländischen Beobachter kommen trotzdem. Aus den USA haben sich zwei stellvertretende Außenminister angemeldet. Tony Brenton, der britische Botschafter in Moskau, will eine Rede halten. „Wir sehen das Forum als Unterstützung für die Entwicklung der Zivilgesellschaft in Russland“, zitierte die Moscow Times einen Sprecher der britischen Botschaft in Moskau. Ob der Deutsche Andreas Schockenhoff, Regierungsbeauftragter für die zivilgesellschaftliche Zusammenarbeit mit Russland, an der Konferenz teilnimmt, ist noch nicht sicher. Fest steht aber, dass Reinhard Bütikofer, Co-Vorsitzender der Grünen, nach Moskau reist.. Kasparow ist enttäuscht über die Haltung des deutschen Außenministeriums, dass gegenüber seiner Veranstaltung „eine kühle Haltung“ einnehme. Das deutsche Außenministerium lebe „noch in der Epoche von Schröder“, meint der Schachgroßmeister. Enttäuscht ist Kasparow auch von einem Interview, welches der deutsche Außenminister letzte Woche der Zeitung „Kommersant“ gab. Außenminister Steinmeier bescheinigte Russland „eine beachtenswerte Transformationsleistung“. Dazu Kasparow: „Mit dieser Äußerung unterstützt er die Diktatur in Russland.“ „Der Westen ist nicht machtlos“Garri Kasparow hält nichts von dem Argument, dass der Westen von Russland abhängig ist.. „Russland kann dem Westen den Gasboykott erklären, aber wohin wird es dann sein Gas exportieren?“ Außerdem hätten diejenigen, die das russische Gas verwalten, Konten und Grundstücke im Westen.“ „Man könnt auf bestimmte Leute Druck ausüben. Denn die Gelder aus Russland fließen nicht auf legalem Weg auf die Konten im Westen.“ Die Führung Russlands – so Kasparow - sei korrupt, die Bildung zwielichtiger Unternehmen im Öl- und Gas-Sektor werde von Putin gedeckt. Als Beispiel für zwielichtige Praktiken nannte er die Unternehmen RosUkrEnergo und Baikalfinancegroup. „Ein politisches Leben in Russland gibt es nicht mehr“, meint Kasparow. „Wir befinden uns auf dem Weg von einer beschädigten demokratischen Gesellschaft in eine Diktatur.“ Das Wahlrecht wird eingeschränkt, von Pressefreiheit könne man nicht reden. Deshalb müssten sich jetzt alle – von Kommunisten bis Liberalen - an einen Tisch setzen. Kasparow setzt auf eine Volksbewegung. „50 Demonstranten werden verhaftet, bei 500 fängt die Macht an zu zittern, bei 50.000 beginnen sie ihre Sachen zu packen.“ EndeUlrich Heyden