Ein toter Terrorist und viele offene Fragen
Kurz vor Beginn des G8-Gipfels verkündet Putin den Tod des tschetschenischen Terroristen BasajewMoskau (n-ost) – Schamil Basajew war der meistgesuchte tschetschenische Terrorist. Für Hinweise auf seinen Aufenthaltsort war eine Belohnung von 80.000 Euro ausgesetzt worden. Am Montag erstattete Nikolai Patruschew, der Chef des russischen Geheimdienstes FSB Wladimir Putin in seinem Kreml-Arbeitszimmer Bericht. „Heute Nacht wurde in Inguschetien eine Spezialoperation durchgeführt, in deren Folge Schamil Basajew und eine Reihe weiterer Banditen getötet wurde.“ Der Tod von Basajew war in den letzten Jahren schon mehrmals gemeldet worden, doch nie von so hoher Stelle. Der russische Präsident verzog während des Berichts keine Miene. Dann sagte er mit starrer Miene: „Das ist die verdiente Rache für unsere Kinder in Beslan, in Budjonnowsk, für alle Terrorakte, die sie in Moskau und anderen Regionen Russlands ausgeführt haben.“ Der Fernsehkanal ORT übertrug die Szene. Putin ordnete an, alles für eine Ordensverleihung an die Mitglieder der Spezialeinheit vorzubereiten. Schließlich erklärte der Kreml-Chef, die terroristische Gefahr sei „noch immer sehr groß“. Deshalb dürfe man „mit der operativen Arbeit nicht nachlassen, sondern im Gegenteil ihre Effektivität verstärken“. Geheimdienstchef Patruschew erklärte, Basajew hätte neue Terrorakte geplant, „um auf die politische Führung Russlands während des G8-Gipfels Druck auszuüben. “ Der Schlag gegen Basajew sei möglich gewesen, weil man die Kanäle ausfindig gemacht habe, über welche Basajew Waffen aus dem Ausland erhielt. Basajew wurde in dem Dorf Ekaschewo getötet. Das Dorf liegt nicht weit von der inguschetischen Hauptstadt Nasran entfernt, wo die Terroristen unter Leitung Basajews im Juni 2004 einen großangelegten Überfall auf die Sicherheitseinrichtungen der Stadt verübt hatten. Ein von den Separatisten gefahrener Lastwagen mit Waffen – darunter viele Raketen – explodierte ausgerechnet in dem Moment, als die Bewohner des Dorfes Ekaschewo vor dem Fernseher das Elf-Meter-Schießen im WM-Finale in Berlin sahen. Nach der Explosion seien noch Schüsse zu hören gewesen, berichtete der Fernsehkanal NTW. Die auf dem Lastwagen gelagerten Waffen seien noch bis in den frühen Morgen explodiert. Unklar ist, wie es den Terroristen gelang, mit einem Lastwagen voller Waffen durch Inguschetien zu fahren. Am Montagmorgen hatten die russischen Nachrichtenagenturen über die Sprengung des Lastwagens berichtet, aber erst nachmittags um 16 Uhr wurde der Tod von Basajew und drei anderen Terroristen bestätigt. Seine stark verstümmelte Leiche sei anhand der Beinprothese identifiziert worden, berichtete der russische Fernsehkanal ORT. Die Separatisten bestätigten den Tod von Basajew bisher nicht. Der Vizeministerpräsident Inguschetiens, Baschir Auschew, teilte mit, Basajew hätte in einem der beiden den Waffentransport begleitenden PKW gesessen.Viele offene FragenDie russischen Sicherheitskräfte gehen mit äußerster Konsequenz gegen die Separatistenführer vor - sie wurden alle der Reihe nach liquidiert. Zuerst 1996 Dschochar Dudajew, der erste Präsident der sich als unabhängig erklärten tschetschenischen Republik. Dudajew wurde von einem Flugzeug mit einer Rakete getötet, als er sein Satellitentelefon benutzte. 2004 wurde der jordanische Freischärler Chattab durch einen vergifteten Brief getötet, im selben Jahr der ehemalige tschetschenische Präsident Selimchan Jandarbijew von Agenten der russischen Militärabwehr GRU in der Hauptstadt des Emirats Katar Doha mit seinem Jeep in die Luft gesprengt. 2005 wurde der 1997 unter OSZE-Aufsicht gewählte tschetschenische Untergrundpräsident Aslan Maschadow in einem Erdbunker in Tschetschenien getötet, 2006 dann brachte man Maschadows Nachfolger Abdul-Chaliba Sajdulajew zur Strecke . Die Leichen von Chattab, Maschadow und Sajdulajew wurden im russischen Fernsehen gezeigt - nicht jedoch die Leiche von Basajew.Für Infokasten:Porträt Schamil BasajewDer 41-jährige Schamil Basajew, der vor kurzem zum Vize-Präsidenten der Untergrundregierung aufgestiegen war, hatte Ende der 80er Jahre an der Moskauer Universität Jura studiert. Seine Karriere als Terrorist begann 1991 mit der Entführung eines türkischen Passagierflugzeugs. Unmittelbar darauf beteiligte sich Basajew mit tschetschenischen Freiwilligen am Bürgerkrieg in der georgischen Provinz Abchasien. Basajew kämpfte auf Seiten der Abchasen, die eine Lostrennung von Georgien anstrebten. Seit dieser Zeit hält sich das Gerücht, Basajew habe Kontakte zur russischen Militärabwehr GRU und sei möglicherweise selbst deren Agent, denn Abchasien wurde auch von der russischen Armee unterstützt. Zu trauriger Berühmtheit kam Basajew durch die Geiselnahmen in einem Krankenhaus im südrussischen Budjonnowsk. Viele Tschetschenen sahen darin eine gerechte Vergeltungsaktion für die Schandtaten der russischen Armee im ersten Tschetschenienkrieg. Bei den ersten freien Präsidentschaftswahlen,die im Januar 1997 unter Aufsicht der OSZE stattfanden, kam der Kandidat Basajew auf Platz zwei hinter dem gemäßigten Maschadow. Immer wieder war Basajew auch an Aktionen beteiligt, welche die tschetschenische Unabhängigkeitsbewegung in der Weltöffentlichkeit diskreditierten, wie die Geiselnahme im Moskauer Musical-Theater Nord-Ost oder die grausame Besetzung der Schule in Beslan. Als Basajew 1999 mit einer bewaffneten Einheit in Dagestan einfiel, nahm Wladimir Putin dies zum Anlass für den zweiten Tschetschenienkrieg. Dieser Krieg wird von beiden Seiten unbarmherzig und mit allen Mitteln geführt. Basajews vermutliche Ermordung ist darin nur ein weiteres blutiges Kapitel. EndeUlrich Heyden