G8-Gipfel schlägt Nahost-Friedenstruppe vor
Der Gipfel in St. Petersburg einigte sich mit Mühe auf Kompromisse in der Nahost- und Energie-FrageST. PETERSBURG (n-ost) Wird sich Russland an einer neuen Friedenstruppe im Nahen Osten beteiligen? Diese Frage hatte auf der G8-Abschluss-Pressekonferenz von Wladimir Putin am Montag besonders Brisanz. Doch der Kreml-Chef hielt sich bedeckt, wie auch seine deutsche Amtskollegin Angela Merkel, die am Montag von Putin Geburtstagsglückwünsche entgegennahm.
Die Idee der Friedenstruppe hatte am Sonntag bereits Eingang in die Nahosterklärung des G8-Gipfels gefunden. Man hoffe, dass der UN-Sicherheitsrat die Entsendung einer Friedens- und Beobachtungstruppe berät, heißt es in dem Nahost-Papier. Putin erklärte, Russland werde über eine Teilnahme an einer Friedenstruppe erst entscheiden, wenn es von Seiten des UN-Sicherheitsrates einen Beschluss gibt. Außerdem müssten die an dem Konflikt beteiligten Parteien einer Entsendung zustimmen. Der Kreml-Chef betonte, die Mission werde auf jeden Fall eine „Friedens-Mission“ sein.
Die Nahost-Erklärung des G8-Gipfels war am Sonntag nach mehrstündiger Diskussion und unter Hinzuziehung von Experten fertiggestellt worden. Putin: „Das war ein hartes Stück Arbeit“. In der Erklärung sind der Reihe nach vier Forderungen aufgelistet; die Freilassung der israelischen Soldaten, das Ende der Raketenangriffe auf israelisches Territorium, die Beendigung der israelischen Militäroperation und die Freilassung der verhafteten palästinensischen Minister. Die Reihenfolge sei kein Zufall, hieß es aus deutschen Regierungskreisen. Entgegen der üblichen Praxis in Europa war in der Erklärung auch von „extremistischen Elementen“ die Rede. Die Erklärung war offenbar ein Kompromiss. Denn zuvor - bei der Ursachenanalyse - lagen die Meinungen weit auseinander. Während der US-Präsident Syrien und die Hisbollah als Ursache der Eskalation brandmarkte, erklärte Putin, Israel habe ein Recht auf Verteidigung, es seien aber noch nicht alle friedlichen Möglichkeiten ausgeschöpft. Putin erklärte, der Konflikt zwischen Israel und dem Libanon sei nicht außer Kontrolle geraten. Der Kreml-Chef zeigte sich auch nicht überzeugt, dass das Blutvergießen nach einer Rückkehr der entführten Soldaten aufhörte. Putin erklärte, Israel habe offenbar eine „weitergehende Strategie“. Auf Nachfrage von Journalisten erklärte der Kreml-Chef, von libanesischen Regierungskreisen habe man erfahren, dass auch Objekte der öffentlichen Infrastruktur von israelischen Raketen zerstört worden seien.
George Bush hatte während einer Unterredung mit Tony Blair jegliche diplomatische Höflichkeit abgelegt. Während das Mikrophon noch lief, erklärte der US-Präsident, man müsse auf Syrien Druck ausüben, und Syrien müsse die Hisbollah unter Druck setzen, damit die ihre „Scheiße“ beendeten. Der israelische Botschafter in Deutschland, Shimon Stein, begrüßte die Erklärung der G8. Stein betonte die in der Erklärung festgelegte Reihenfolge. Israel werde seine Angriffe auf den Libanon erst dann stoppen, wenn die entführten israelischen Soldaten ausgeliefert seien und die Hisbollah ihre Angriffe einstelle.Die Sprecherin der israelischen Regierung, Miri Eisin, erklärte am Montag gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters, es sei zu früh, über eine Friedenstruppe zu sprechen. „Zurzeit sind wir auf der Stufe, sicherzustellen, dass die Hisbollah sich nicht an unserer Nordgrenze befindet.“ UN-Generalsekretär Kofi Annan erklärte in St. Petersburg, der UN-Sicherheitsrat werde die Frage einer Friedenstruppe nach der Rückkehr einer Expertengruppe aus dem Nahen Osten klären. Annan forderte Israel und die Hisbollah-Milizen auf, ihre „Feindseligkeiten“ einzustellen, um die Stationierung einer internationalen Truppe zu ermöglichen. Bush kritisierte die Erklärung des UN-Generalsekretärs. „Er fordert immer einen Waffenstillstand und danach passiert immer noch irgend etwas.“ Angela Merkel zeigte sich gegenüber der Idee einer Friedenstruppe aufgeschlossen. Sie verwies jedoch auch darauf, dass es an der Nordgrenze Israels bereits eine UN-Friedenstruppe mit 2.000 Mann gibt. Kompromiss auch in der EnergiefrageAuch die auf dem Gipfel vereinbarte Erklärung zur Energiesicherheit stellt einen Kompromiss dar. Im Mittelpunkt steht das allgemeine Bekenntnis zu den Gesetzen des freien Marktes. Doch die Unterzeichnung der Europäischen Energiecharta hatte Russland ungeachtet der Bemühungen von Seiten der EU schon zuvor abgelehnt. Die Charta regelt die Energie-Investitionen und Transitfragen in Europa, Russland und anderen Ländern. Die russische Duma hatte das Unternehmen Gasprom zum einzigen Exporteur von russischem Gas erklärt.
Wladimir Putin versuchte in St. Petersburg, den Dissenz in der Energiesicherheit schönzureden. Zum ersten Mal sei es mit der Erklärung zur Energiesicherheit gelungen, gemeinsame Prinzipien festzulegen. Energiesicherheit sei nun nicht mehr nur eine Frage für die Verbraucher sondern auch eine Frage des Transports. Der Kreml-Chef erklärte, in der EU-Energiecharta gebe es Widersprüche. Die von Europa geforderte Öffnung des russischen Pipelinesystems führe nicht unbedingt zu mehr Energiesicherheit. Er sei nicht dagegen, ausländischen Unternehmen Zugang zum russischen Energiemarkt zu gewähren. Es müsse aber klar sein, was Russland im Gegenzug erhalte. Als beispielhaft nannte er den Vertrag zwischen BASF und Gasprom, bei dem es zu einem Interessenausgleich gekommen war. Keine Kritik an den USADie Tatsache, dass sich zwei stellvertretende Außenminister der USA an einer Konferenz der russischen Opposition in Moskau beteiligt hatten, beurteilte der Kreml-Chef auf der Pressekonferenz überraschend milde. Das sei „nicht voll korrekt“, aber auch „nichts Schreckliches“. Vor dem Gipfel hatte Putins Berater Igor Schuwalow noch erklärt, die Teilnahme ausländischer Politiker an der Konferenz werden man als unfreundlichen Akt beurteilen. Angela Merkel äußerte sich auf dem Gipfel zu Demokratiefragen zurückhaltend. Auf einer Pressekonferenz erklärte sie, auch in Europa gebe es unterschiedliche Wahlsysteme. Was können wir von der Zukunft erwarten, wollte ein junger Journalist von Putin wissen. Der Kreml-Chef lachte und meinte, „Nur Gutes.“ Nun übergebe man das Staffelholz an die deutschen Freunde. Der nächste G8-Gipfel wird im Juli 2007 im mecklenburgischen Heiligendamm stattfinden. EndeUlrich Heyden