Polen

Haltestelle Woodstock – bitte alle aussteigen!

Der Bus, mit dem alle Gäste des Festivals „Haltestelle Woodstock“ (Przystanek Woodstock) transportiert werden können, muss erst noch erfunden werden. Bis zu 350.000 Menschen kommen laut Veranstalter jedes Jahr auf das größte Umsonst & Draußen-Festival Europas – in Polen. Tendenz steigend. Das Festival findet auch dieses Jahr wieder direkt an der deutsch-polnischen Grenze in Küstrin (Kostryn) und nur etwa 100 km entfernt von Berlin statt. Am 28. und 29. Juli 2006 können deutsche und polnische Jugendliche nicht nur die Musik von der jeweils anderen Seite der Oder, sondern vor allem sich gegenseitig kennenlernen. Ein wenig Zeit und ein Zelt reichen dazu aus.Seit 1995 veranstaltet die Stiftung „Großes Orchester zur Festtagshilfe“ des polnischen Journalisten Jerzy Owsiak das Festival als Dankeschön für fast 120.000 freiwillige Helfer. Diese sammeln in Polen jedes Frühjahr Geld für medizinische Geräte, die später zum Beispiel an Kinderkrankenhäuser in Polen abgegeben werden.

Ein Festival der Superlative für eine Arbeit der Superlative. Allein im Jahr 2006 kamen durch die Spenden knapp 9,7 Millionen Dollar zusammen. Seit 1995 fast 72 Millionen Dollar. Kein Wunder, dass Jerzy Owsiak bei Jugendlichen hinter dem Papst Johannes Paul II. zum beliebtesten Menschen in Polen gewählt wurde. „Haltestelle Woodstock“ begann als Owsiaks Privatfeier für seine Unterstützer, inzwischen ist es zur Party der Superlative geworden. Unter dem Motto „Liebe, Freundschaft und Musik“ heizen in diesem Jahr 46 Bands den Fans ein, 300 hatten sich beworben, obwohl es keine Gage gibt. Im vergangenen Jahr waren sogar die „Toten Hosen“ für eine symbolische Aufwandsentschädigung von 100 Zloty (25 Euro) dabei. In diesem Jahr stehen aus Deutschland die Bands Crosscut und Boozed auf der Hauptbühne. Ansonsten sind wie immer jede Menge gute polnische Bands zu entdecken.

Zu einem Woodstock-Festival gehört natürlich auch eine zünftige Schlammschlacht, Foto: Jan ZappnerWer Abends erschöpft nach Schlaf sucht, hat sich hoffentlich vorher auf dem ausgedehnten Gelände ein Zelt aufgeschlagen. Platz ist jedenfalls genug auf dem hügeligen ehemaligen Militärgelände kurz hinter der Stadt. Und weil ja eine familiäre Atmosphäre herrscht, heißen die Ordner hier „Peace Patrols“ und es wird auf eine Absperrung vor der Hauptbühne verzichtet. Stattdessen können Graffiti-Künstler dort an den Holzwänden ihr Können unter Beweis stellen. Auch auf die üblichen Wasserschlachten an den über 150 Wasserstellen muss nicht verzichtet werden. Die gute Stimmung wird durch die günstigen Preise für Essen (ab 8 Zloty/ 2 Euro) und Bier (2,5 Zloty/ 60 Cent) sicherlich verstärkt.

Und wer seinen Freunden zu Hause von seiner neuesten Eroberung erzählen möchte, kann dies umsonst und bequem vom Internetcafe aus machen. Aus Deutschland werden dieses Jahr 15.000 Besucher erwartet. Mit den Länder-Tickets der Bahn für 22 Euro können von Berlin Lichtenberg aus fünf Personen direkt nach Küstrin fahren. In nur 90 Minuten ist man dann auf der anderen Seite der Grenze. Dort stehen Pendlerbusse auf das Festivalgelände bereit. Auch mit dem Auto aus Berlin ist die Anreise auf der B1 über die 1992 gebaute Oderbrücke eine Leichtigkeit. Wer noch günstiger fahren möchte, kann nach den Damen Ausschau halten, die eine Mitfahrgelegenheit auf ihren Tickets im Zug anbieten.Auf jeden Fall können deutsche Jugendliche ab Freitag Mittag dem großen unbekannten Polen wieder ein kleines Stück näher kommen. Oder wie Jerzy Owsiak  es sagt: „Mit dem Festival können Vorurteile und Barrieren zwischen Jugendlichen aus verschiedenen Ländern abgebaut werden.“ Na dann, Czescz Przystanek Woodstock!


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