Machtspiele im Kodori-Tal
Der georgische Präsident Michail Saakaschwili will die Exilregierung der abtrünnigen Provinz Abchasien auf „befreitem Territorium“ einsetzen. Moskau (n-ost) – Der Konflikt zwischen der georgischen Führung und den abtrünnigen Provinzen Abchasien und Süd-Ossetien spitzt sich von Tag zu Tag zu. Am Donnerstag Abend erklärte der georgische Präsident Michail Saakaschwili überraschend, er werde „in Kürze“ die abchasische Exilregierung in den von georgischen Truppen besetzten Nordteil des Kodori-Tals schicken. Das Kodori-Tal liegt im Osten Abchasiens. Die abchasische Exilregierung residiert seit dem Ende des georgisch-abchasischen Bürgerkrieges 1993 in Tbilissi. Saakaschwili erklärte, er sei weiter an einer friedlichen Lösung des Konflikts interessiert. Doch in Abchasien glaubt man ihm nicht. Sergej Bagapsch, der Präsident der abtrünnigen Provinz, erklärte, wenn Tbilissi die Exilregierung in das Kodori-Tal schickt, werde Abchasien alle Verhandlungen mit Georgien abbrechen. „Georgien bricht heute alle erzielten Vereinbarungen“, so Bagapsch. Am Freitag platzten die vierseitigen Gespräche zwischen Abchasen, Georgiern, UN-Beobachtern und Vertretern der russischen Friedenstruppe. Die abchasische Seite wollte nicht verhandeln, weil Georgien unter anderem durch einen Vertreter der abchasischen Exilregierung vertreten war. Die Regierung der separatistischen Regierung in der abchasischen Hauptstadt Sukhumi erklärt, Tbilissi bereite einen Krieg gegen die abtrünnige Provinz vor. An der Grenze zu Abchasien würden Truppen konzentriert, drei georgische Kriegsschiffe kreuzten unweit der Grenze. Aleksej Malaschenko, Kaukasus-Experte des Moskauer Carnegie-Zentrums, erklärte gegenüber der Nachrichtenagentur Interfax, Tbilissi habe nicht genug Kraft, weitere Gebiete in den abtrünnigen Gebieten Abchasien und Süd-Ossetien zu erobern. Bei einer Fortführung der Militäroperation würden sich Abchasen, Süd-Ossetier sowie nordkaukasische Völker gegen Georgien zusammenschließen.Angeblich erfolgreiche MilitäroperationAnfang der Woche hatte Tbilissi 1.500 Soldaten in das Kodori-Tal geschickt, welches vom Bergvolk der Swanen bewohnt wird. Tbilissi erklärte, man wolle Emsar Kwitsiani, einen örtlichen Führer, und dessen Privatmiliz gefangen nehmen. Kwitsiani hatte in den 90er Jahren gegen die abchasischen Separatisten gekämpft. Er genoss das Vertrauen von Tbilissi. Letzte Woche hatte er jedoch zum bewaffneten Widerstand gegen die Führung in Tbilissi aufgerufen. Die georgischen Soldaten hatten die Anweisung, sich gegenüber der Bevölkerung im Kodori-Tal anständig zu verhalten. Es gab jedoch Opfer in der Zivilbevölkerung. Als georgische Hubschrauber im Dorf Tschchalta das Haus des Abtrünnigen bombardierten, starb nach georgischen Medienberichten eine ältere Frau. Kwitsiani flüchtete mit 60 Anhängern in die Wälder.
Sieben georgische Oppositionsparteien haben das Vorgehen des Militärs im Kodori-Tal als „undurchdacht“ kritisiert. Durch die Militäroperation entstehe im Land ein weiterer Konfliktherd, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung. Ein Vertreter der Arbeitspartei sprach von 50 toten georgischen Soldaten. Offizielle Vertreter der georgischen Führung sprechen dagegen von nur vier verletzten georgischen Soldaten. Der russische Außenminister Sergej Lawrow erklärte am Freitag, es deute „alles darauf hin“, dass Georgien die Probleme mit Abchasien und Süd-Ossetien „auf gewaltsamen Wege“ lösen wolle, doch es gäbe „keine Chancen, diese Probleme mit Gewalt zu lösen.“ Der stellvertretende Kommandeur des russisches Heeres, General Waleri Jewnewitsch, schlug einen schärferen Ton an. Der Einmarsch der georgischen Einheiten in das Kodori-Tal destabilisiere die Situation „im gesamten Kaukasus“.
Info-KastenAusländische Beobachter in AbchasienAbchasien hatte sich 1991 für unabhängig erklärt, wurde aber bisher von keinem Staat der Welt anerkannt. Während des Bürgerkriegs in den Jahren 1992 bis 1994 kamen mehrere Tausend Menschen ums Leben. 250.000 Bürger verließen die Scharzmeerprovinz Richtung Georgien und Russland. Russland hatte die abchasischen Truppen im Bürgerkrieg unterstützt. Seit 1993 sind in Abchasien russische Soldaten im Rahmen einer GUS-Friedenstruppe stationiert. Außerdem befindet sich in der abtrünnigen Provinz die UN-Beobachtermission UNOMIG, deren Soldaten in gepanzerten Fahrzeugen ohne Waffen die Lage beobachten.
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