Friedhof für Sowjet-Monumente
In einem Park in Moskau warten Denkmäler aus der kommunistischen Ära auf ihre WiederverwendungMoskau (n-ost) – Monumental war sie, die Sowjetunion. Eine Supermacht, das größte Land der Erde. Doch Anfang der 90er Jahre dem Untergang geweiht. Ein letzter Versuch, diesen aufzuhalten, wagte eine Clique von Alt-Kommunisten vor genau 15 Jahren am 18. August 1991. Doch ihr Putschversuch gegen den damaligen sowjetischen Präsidenten Michail Gorbatschow scheiterte nach nur drei Tagen und beschleunigte den Zerfall des Imperiums. Nichts symbolisierte die Sowjetmacht besser, als die zahllosen, überlebensgroßen Denkmäler kommunistischer Größen. Allein in Moskau gab es damals 135 öffentliche Denkmäler und Skulpturen von Wladimir Lenin. Doch der Volkszorn konzentrierte sich am Ende des Moskauer Putschversuches auf einen anderen, auf das Denkmal des „eisernen Feliks“ Dzierzynski, Gründer des berüchtigten Geheimdienstes „Tscheka“. Im August 1991 stand er noch vor der nicht minder berüchtigten und gefürchteten Geheimpolizei-Zentrale an der Lubjanka. Am 22. August brachten ihn die Anhänger Jelzins mithilfe eines Kranes - deutscher Bauart übrigens - spektakulär zu Fall. Doch Dzierzynski erwies sich als Stehaufmännchen. Der Moskauer Stadtrat gewährte ihm und seinen Kollegen in einem Park am Ufer der Moskwa unweit des Gorki-Parks politisches Asyl. So begann die Geschichte dieses ungewöhnlichen Ortes, des „Parks der Künste“.Heute befinden sich hier über 800 Denkmäler und Skulpturen, nicht nur Sowjetgrößen, viel moderne Kunst ist darunter. „Es sind gerade die ausländischen Touristen, die sich das so genannte Politbüro gerne anschauen. Aber auch diejenigen, die aus Nostalgie zu den alten Führern kommen“, sagt Margarita Makeewa, 28-jährige Pressesprecherin des Parks. Als Dzierzynski stürzte, war sie gerade 13 Jahre alt und kann sich kaum an die Sowjetunion erinnern.Sturm auf das Denkmal Feliks Dzierzynskis vor dem KGB-Hauptquartier an der Lubjanka am 22. August 1991. Foto: Andreas Metz
Maria Nowikowa dagegen, scheint immer noch in der alten Zeit zu leben: Die 80-Jährige führt Touristen und Schulgruppen über das Gelände. Wenn sie sich dem „Historischen Teil“ nähert, in dem sich über 30 alte sowjetische Monumente befinden, leuchten ihre Augen. Mit einigen Personen, denen diese Denkmäler gewidmet sind, hatte sie sogar persönlich zu tun. Zum Beispiel mit Michail Kalinin, früherer sowjetischer Präsident und Mitglied in Stalins Zentralkomitee. Für ihn projektierte die alte Dame als Ingenieurin elitäre Bau-Objekte. Heute muss sie Kinder fotografieren, die auf seinen Schoß klettern. „Hier ist unser ehemaliger Führer Josef Wissarionowitsch Stalin“, präsentiert Maria Nowikowa einer Gruppe von japanischen Touristen das Denkmal Stalins, das früher vor dem ruhmreichen Moskauer Bolschoj Theater gestanden hat. „Warum ist die Nase von Stalins Denkmal abgebrochen?“, fragt ein Tourist. Hooligans seien es gewesen, die Nase und Fuß Stalins beschädigt hätten, schimpft Maria Nowikowa. Letzterer wurde restauriert, für die Nase aber war kein Geld mehr da. „Wissen sie, es gibt solche Barbaren, die sich stellvertretend an der Statue für etwas rächen wollen“, sagt sie den Touristen. „Ist aber nicht klar, für was“, fügt sie leise hinzu.Lenin – 1917 der Führer der bolschewistischen Revolution - ist im Park mit sechs Büsten und drei Skulpturen vertreten. Gerne lassen sich Touristen mit ihnen fotografieren, küssen Lenin, umarmen ihn oder zeigen ihm die Zunge. Russen gehen an der Komposition für gewöhnlich vorbei oder bleiben nur kurz stehen. „Guck mal, wie bedauernswert Wladimir Iljitsch in diesem Mantel aussieht“, sagt ein Besucher zu seiner Frau und zeigt auf ein Lenin- Denkmal. „Der Arme“, seufzt sie.Heute steht Dzierzynski friedlich im "Park der Künste" am Ufer der Moskwa. Der Sockel ist immer noch von den Protestparolen der Demonstranten von 1991 gezeichnet. Foto: Renata KossenkoGerne erzählen Mitarbeiter die Geschichte des berühmtesten Denkmals im Park, die Geschichte vom „warmen Herz des eisernen Felix“. Als Dzierzynski nach seiner Demontage 1991 in den Park gebracht wurde, regnete es. Als das liegende Monument am folgenden Tag aufgehoben wurde, floss das Wasser aus seinen Augen. „Der „eiserne Felix“ weinte“, sagt Maria Nowikowa und es scheint so, dass auch sie dabei Tränen in den Augen hat.
Das etwa acht Meter hohe Monument steht etwas abseits. Der Sockel wurde gesäubert, doch man erahnt noch einige der während der Umsturztage 1991 gemachten Aufschriften. Vor vier Jahren wollte der Moskauer Bürgermeister Juri Luschkow das Denkmal wieder auf seinen alten Platz an der Lubjanka vor dem Gebäude des inzwischen FSB genannten Geheimdienstes stellen lassen – das Monument sei einfach ein Meisterwerk und der Bildhauer würde „unverdient in Vergessenheit geraten“, argumentierte Luschkow.
Doch damals erfolgte ein für russische Verhältnisse enormer Aufschrei. Die Menschenrechts-Organisation „Memorial“ erinnerte in einer Erklärung an die dunklen Seiten „des eisernen Feliks“, vor allem daran, dass er den politischen Repressions-Apparat mit allgegenwärtiger Kontrolle und Überwachung entwickelte. Dzierzynskis Motto „Abschreckung ist wichtiger als Wahrheitsfindung“ kostete Hunderttausende das Leben. „Der Vorschlag, das Denkmal wieder auf den Platz zu stellen ist eine demonstrative Vernachlässigung der Erinnerung an Millionen von Opfern der politischen Repressionen“, schrieb „Memorial“ damals in einer Erklärung.Dzierzynski musste vorerst ihm Park bleiben, doch Freunde hat er dort genug. Auch heute noch kommen sie zu ihrem Feliks und legen Blumen vor ihm ab. „Sogar Hochzeitsgesellschaften kommen hier her“, sagt Maria Nowikowa nicht ohne Stolz. Unterdessen tauchen andernorts sogar neue Denkmäler des Tscheka-Gründers auf. Eigentlich nicht verwunderlich, seit mit Wladimir Putin ein „Tschekist“ an der Spitze des Staates steht. Auch der FSB bekennt sich in einer offiziellen Werbe-CD stolz zu seinem Gründervater. Im September 2005 stellte das Moskauer Innenministerium eine Dzierzynski-Büste in seinem Innenhof auf, die Anfang der 90er Jahre ebenfalls demontiert worden war. Bereits 2004 wurde dem Tscheka-Gründer in der Stadt Dzerschinsk in der Nähe von Nischnij Nowgorod ein Drei-Meter großes Denkmal errichtet. Auch die weißrussische Stadt Dzjarschinsk – unweit des Geburtsorts des eigentlich polnischstämmigen Revolutionärs gelegen – ehrt ihren Sohn mit einem Denkmal. Zuletzt wurde am 26. Mai 2006 in der Militärakademie im weißrussischen Minsk in Anwesenheit des Präsidenten Aleksander Lukaschenko ein neues Dzierzynski-Denkmal eingeweiht - eine kleinere, aber originalgetreue Kopie des Denkmals, das früher auf der Lubjanka und heute im Park der Künste steht.Informationen über die dargestellten Personen sucht man dort übrigens vergebens. Aber der Blumenstrauß vor dem Stalin-Denkmal lässt einen sowieso zweifeln, ob die Zeit für neue Aufschriften wirklich schon gekommen ist.*** Ende ***
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Feliks Edmundowitsch Dzierzynski
wurde am 30. August 1877 auf dem Landgut Kojdanow (damals Gouvernement Wilna des Königreiches Polen und Litauen, heute Rajon Stolbzy in Belarus) als Sohn einer polnischen Adelsfamilie geboren. Er besuchte das Gymnasium in Wilna/Vilnius. 1900 gehörte er zu den Gründern der Sozialdemokratie des Königreiches Polen und Litauen. In den Jahren 1905-1906 war er Führer der Revolution in Kongresspolen, besonders in Warschau und Lodz und gleichzeitig Vertreter seiner polnischen Partei im Zentralkomitee in der russischen Sozialdemokratie (der späteren Bolschewiki - Partei). Bis 1915 saß er sechsmal im Gefängnis und wurde zweimal nach Sibirien deportiert. Im Sommer 1917 trat Dzierzynski der bolschewistischen Partei bei und wurde Mitglied ihres Zentralkomitees. Ein paar Monate später, während der Oktoberrevolution, war er einer der Führer des bewaffneten Aufstandes der Bolschewiken gegen die Kerenski-Regierung in Petrograd. Gleich nach dem Sieg der Bolschewisten schuf er am 20. Dezember 1917 die Geheimpolizei Tscheka. Der Name ist eine Abkürzung des Wortes Außerordentliche Allrussische Kommission zur Bekämpfung von Konterrevolution, Spekulation und Sabotage. Die Tscheka tötete und verhaftete nach dem Vorbild der Terrorherrschaft während der Französischen Revolution wahllos Regimegegner. Die Mitarbeiterzahlen stiegen von 600 im März 1918 auf 280.000 Anfang 1921. Dzierzynski starb plötzlich und unter nie näher geklärten Umständen im Jahre 1926. Nach seinem Tode und besonders nach 1945 wurden dem „Eisernen Felix“ viele Orden und Denkmäler gewidmet. Das Ministerium für Staatsicherheit der DDR benannte sein Wachregiment nach ihm; in der Sowjetunion wie in der DDR nannte man die Geheimdienstangehörigen „Tschekisten“.