Russland

Janukowitsch der Staatsmann

Der neue ukrainische Ministerpräsident ringt mit Russland um einen akzeptablen GaspreisMoskau (n-ost) – Wiktor Janukowitsch war in der Vergangenheit als Sprecher der russischsprachigen Minderheit im Osten und Süden der Ukraine aufgetreten. Doch auf dem Gipfel der auf Initiative Moskaus gegründeten „Eurasischen Wirtschaftsgemeinschaft“, der am Dienstag im russischen Schwarzmeer-Kurort Sotschi begann, präsentierte sich der neue ukrainische Premier in der Rolle eines ukrainischen Staatsmannes mit gesamtnationaler Verantwortung. Für die Einführung der russischen Sprache als zweite Staatssprache gebe es in der neuen Regierungskoalition keine Mehrheit, erklärte Janukowitsch. Vielleicht werde sich das 2007 ändern. Auch dem von Russland gewünschten Verkauf der nach Europa führenden Gaspipelines wollte der neue ukrainische Premier nicht zustimmen.
 
Janukowitsch, der in Sotschi häufig von den nationalen Interessen der Ukraine sprach, nahm die Verhandlungen über die russischen Gaslieferungen wieder auf. Sie waren wegen der monatelangen Machtkrise in Kiew eingefroren worden. Janukowitsch erklärte nach Gesprächen mit seinem russischen Amtskollegen Michail Fradkow, man habe eine „vorläufige Vereinbarung“ erreicht. Bis zum Ende des Jahres werde Russland  24,5 Mrd. Kubikmeter Gas liefern. Das ist ein Drittel des ukrainischen Jahresverbrauchs. 80 Prozent ihres Gasbedarfs muss die Ukraine importieren. Dreiviertel des importierten Gases kommt aus den zentralasiatischen Republiken, Kasachstan, Usbekistan und Turkmenistan, ein Viertel des importierten Gases kommt aus Russland. Auch das Gas aus Turkmenistan erreicht die Ukraine nur über das russische Unternehmen Gasprom.Janukowitsch gab bekannt, er habe sich mit seinem russischen Amtskollegen auf „ungefähre Preis-Parameter“ geeinigt. Es werde ein Marktpreis sein, die Preisbildung werde durchsichtig sein und dem Stand der russisch-ukrainischen Wirtschaftsbeziehungen entsprechen. Damit deutete der ukrainische Ministerpräsident an, dass Russland der Ukraine Sonder-Konditionen einräumt. Doch Janukowitschs russischer Amtskollege war auf diesem Ohr taub. „Wir gehen von den Vereinbarungen aus, welche wir Anfang Januar erreicht haben“, erklärte Michail Fradkow.
Anfang Januar hat man sich auf einen Gaspreis von 95 Dollar pro 1.000 Kubikmeter geeinigt. Für die Ukraine, die bis dahin nur 45 Dollar bezahlte, war das ein harter Schlag. Moskau zeigte dem „orangenen“ ukrainischen Präsidenten Wiktor Juschtschenko mit dem neuen Gas-Preis demonstrativ die kalte Schulter. Janukowitsch versucht nun vorsichtig die damalige Vereinbarung zu korrigieren. „Wir müssen die Disproportionen liquidieren, welche es in der letzten Zeit in den Beziehungen zwischen Russland und der Ukraine gab“, erklärte Janukowitsch. Der russische Ministerpräsident möchte die Ukraine für die Bildung der von Russland, Kasachstan und Weißrussland geplanten Zollunion gewinnen. Moskau geht es dabei auch um die Koordinierung eines gemeinsamen WTO-Beitritts von Russland und der Ukraine. Von den Staaten der „Eurasischen Wirtschaftsgemeinschaft“ ist bisher nur Kirgistan Mitglied der WTO. Janukowitsch erklärte, die Ukraine sei vor allem an der „Eurasischen Wirtschaftsgemeinschaft“ und in diesem Rahmen an der  gemeinsamen Erschließung von Gasvorräten in Usbekistan, Kasachstan und Russland interessiert. Außerdem plädierte Janukowitsch für eine Wiederaufnahme der Zusammenarbeit zwischen Russland und der Ukraine auf dem Gebiet der Luft- und Weltraumindustrie.Schlüsselressource WasserDie Nachfolgeorganisation der Sowjetunion, die „Gemeinschaft unabhängiger Staaten“ (GUS) existiert nur noch auf dem Papier. Nun versucht Moskau alte Bekannte in der „Eurasischen Wirtschaftsgemeinschaft“ um sich zu sammeln. Zu der im Jahre 2000 gegründeten Wirtschaftsgemeinschaft gehören Russland, Weißrussland, Kasachstan, Tadschikistan, Usbekistan und Kirgistan. An dem Gipfel in Sotschi nahmen der armenische Präsident Robert Kotscherjan und der ukrainische Premier Wiktor Janukowitsch als Beobachter teil. Doch auch in der neuen Gemeinschaft gibt es bisher kaum Fortschritte. Der erhoffte Durchbruch bei der Bildung Zoll-Union durch Russland, Weißrussland und Kasachstan wurde nicht erreicht. Schon bei dem vorigen Gipfel in Minsk waren angeblich 60 Prozent der Dokumente für die Zollunion fertig. Es gibt noch einige Momente, „die der politischen Lösung bedürfen“, erklärte der Generalsekretär der Wirtschaftsgemeinschaft, Grigori Rapota.Der dreitägige Gipfel in Sotschi geht am Donnerstag zu Ende. Neben den Fragen Gas, Öl, Sicherheit und Zollunion wird es noch Meinung von Beobachtern auch um die Schlüsselressource Wasser gehen. Die größten Wasservorräte Zentralasien befinden sich unter Kontrolle von Kirgistan und Tadschikistan. Usbekistan und Kasachstan sind dagegen die größten Wasserverbraucher und haben selbst kaum Vorräte. Nun plant Moskau ein zentralasiatisches Wasser-Konsortium mit dem nicht nur der Wasserbedarf befriedigt sondern auch der russische Einfluss gefestigt werden soll. Derartige Pläne haben Tradition. Vor einigen Jahren wärmte der Moskauer Bürgermeister Juri Luschkow den sowjetischen Plan auf, die großen sibirischen Flüsse nach Süden umzuleiten.Ende


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