Russland

Ein neues Gericht des Kreml-Zauberkochs

Kreml-Ideologe Wladislaw Surkow: Russland braucht eine zweite Partei, die zur Regierung fähig istMoskau (n-ost) – Wladislaw Surkow, stellvertretender Leiter der russischen Präsidialverwaltung, ist so etwas wie ein Zauberkoch. Aus verschiedenen Klein-Parteien will er jetzt eine neue linke Partei schaffen. Sie soll die Wähler der Kommunisten zu sich herüberziehen und das zweite Standbein eines russischen Zwei-Parteien-Systems werden. Dies geht aus einem internen Protokoll hervor, welches jetzt im Internet veröffentlicht wurde. Mit seiner Initiative möchte Surkow die steten Neugründungen und Auflösungen in der russischen Parteienlandschaft beenden. Er erklärt, sein Vorbild sei das Deutschland der Nachkriegszeit, mit der „systembildenden“ Funktion zweier großer Volksparteien. Im Jahre 2001 schuf Surkow bereits die Partei „Einiges Russland“. Die Partei wurde mit 1,1 Mio. Mitgliedern zum Dinosaurier. Russische Journalisten scherzen, „Einiges Russland“ sei inzwischen fast so mächtig wie die KPdSU. Der Großteil der Gouverneure und regionalen Verwalter sind Mitglied bei „Einiges Russland“. 305 der 450 Duma-Abgeordneten gehören der Kreml-nahen Partei an. Keimzelle der neuen linkszentristischen Partei soll nach dem Willen Surkows die kleine „Partei des Lebens“ sein. Sie wird von dem Vorsitzenden des Föderationsrates Sergej Mironow geführt. Dieser kandidierte bei den letzten Präsidentschaftswahlen mit der Begründung, er wolle Wladimir Putin „nicht alleine lassen“. Von dem neuen Kreml-Plan ist Mironow begeistert. Vor kurzem meldete er bereits die Vereinigung mit der Partei „Heimat“ zur „aktuellen Linken“. Als weitere Bündnispartner werden die „Volkspartei“, die „Partei der Pensionäre“ und die Agrar-Partei ins Auge gefasst. Während „Heimat“ und „Volkspartei“ Abgeordnete in der Duma haben, ist die „Partei des Lebens“ und die „Partei der Pensionäre“ nicht im Parlament vertreten. Was tun, wenn ein Bein einschläft?Das Anfang der Woche veröffentlichte Protokoll, das in Moskau hohe Wellen schlug, stammt von einem Treffen im März zwischen Surkow und der Führung der „Partei des Lebens“. Die Partei veröffentlichte es vor kurzem auf ihrer Internet-Seite. Surkow erklärte auf dem Treffen, die Gesellschaft sei nicht stabil. Ihre fehle „ein ´zweites Bein´ auf dass sie sich stellen kann, wenn das erste eingeschlafen ist.“ Der Kreml-Polit-Technologe rechnete vor: Die Partei „Einiges Russland“ bekam bei den Duma-Wahlen 2003 37 Prozent der Stimmen. Etwa genauso viel bekamen zusammen Schirinowskis Liberaldemokraten, die Kommunisten und die linksnationale Partei „Heimat“. Man müsse – so Surkow - dieses Spektrum mit „normalen Traditionen der Sozialdemokratie und einem gesunden Patriotismus“ anreichern. Daraus könne dann eine zweite Regierungspartei entstehen.Surkow redete Mironow und seinen Leuten ins Gewissen. Sie sollten nicht auf „administrative Ressourcen“, d.h. auf Unterstützung aus dem Kreml setzen. In diesem Fall seien alle Anstrengungen „gleich Null“. Stattdessen sollte sich die neue Formation um das Protestpotenzial in der Gesellschaft zu kümmern. Diese Menschen seien bei der „Partei des Lebens“ besser aufgehoben als bei „destruktiven Kräften“. Der Kreml-Polit-Technologe warnte allerdings vor einer harten Frontstellung gegenüber „Einiges Russland“.Nach einer Meinungsumfrage würden bisher nur drei Prozent der Wähler das Bündnis der „Partei des Lebens“ und „Heimat“ wählen. 17 Prozent wollen allerdings nicht ausschließen, dass sie dem Bündnis ihre Stimme geben. Die neue Partei-Formation hat allerdings ein großes Problem. Ihr fehlen charismatische Politiker. Der einstige Vorsitzende der Partei „Heimat“, der charismatische Dmitri Rogosin, musste auf Druck des Kremls seinen Posten verlassen. Er hatte sich zum eigenständigen Politiker entwickelt und war für den Kreml nicht mehr lenkbar. Anlass der Entmachtung war ein ausländerfeindlicher Videoclip zu den Wahlen des Moskauer Stadtparlaments. Auf der anderen Seite ist für die Klein-Parteien ein Bündnis ziemlich verlockend. Bei der nächsten Duma-Wahl im Dezember 2007 gilt eine Sieben-Prozent-Hürde. An der könnten auch die Liberalen und Demokraten scheitern, die ebenfalls ein Wahlbündnis planen. Ende


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