Russland

Bombe gegen Ausländer

Die Attentäter hätten ein „nationalistisches Motiv“, meint die Moskauer Staatsanwaltschaft nach dem Anschlag auf den Moskauer Großmarkt. Moskau (n-ost) – Nach dem Moskauer Bombenanschlag am Montag, bei dem zehn Menschen ums Leben kamen und 50 verletzt wurden, rätselte man in Moskau über die Hintergründe. Die Massenblätter „Komsomolskaja Prawda“ und „Moskowski Komsomolez“ hatten die Spur schnell gefunden. Sie machten die „vietnamesische Mafia“ und „tschetschenische Kämpfer“ als Attentäter aus. Dienstagmittag wendete sich plötzlich die Informationslage. Der Moskauer Staatsanwalt Juri Semin erklärte, der Anschlag sei wahrscheinlich aus „nationalistischem Hass“ verübt worden.  Das russische Staats-Fernsehen übernahm diese Einschätzung. Das ist neu, denn bei den zahlreichen ausländerfeindlichen Überfällen in der Vergangenheit hatten die Behörden die Taten jugendlicher Skinheads meist als „Rowdytum“ heruntergespielt. Semjon Tscharni vom „Moskauer Büro für Menschenrechte“ vermutet, dass in den russischen Sicherheitsstrukturen nun allmählich die Besorgnis über rassistische Gewalt wächst. Die Moskauer Polizei verhörte am Dienstag drei Verdächtige im Alter von 18 bis 25 Jahren. Alle drei befinden sich in der Ausbildung. Zwei waren von Markthändlern gefasst worden, nachdem sie eine verdächtige Tasche auf dem Markt vor einem vietnamesischen Cafe abgestellt hatten, der Dritte war am Dienstag früh festgenommen worden. Wie einer der Ermittler gegenüber der Nachrichtenagentur Interfax erklärte, haben die Attentäter die Anleitung zum Bombenbau aus dem Internet. Einer der Verdächtigen, ein Chemiestudent, hatte die Bombe offenbar konstruiert. Die drei Verdächtigen vertraten während der Vernehmung nationalistische Ideen. Nach Meinung der Ermittler gehören sie keiner Organisation an, sie haben sich aber mit Gleichgesinnten über das Internet ausgetauscht. Es wird vermutet, dass die drei Verhafteten auch an anderen Straftaten beteiligt waren. So hätten sich die Verhafteten auch an den Protesten gegen die Gay Parade in Moskau beteiligt.Der Moskauer „Kommersant“ berichtete unter Berufung auf einen Mitarbeiter des Geheimdienstes, in den Kreisen nationalistisch gestimmter Jugendlicher mache sich eine zunehmende Tendenz des „individuellen Terrors“ bemerkbar. Erst im Januar war der junge Moskauer Aleksandr Kopzew mit einem Jagdmesser in eine Synagoge gerannt und hatte unter „Heil Hitler“-Rufen neun Menschen schwer verletzt.Nach Ermittlungen des „Moskauer Büros für Menschenrechte“ wurden in Russland im ersten Halbjahr dieses Jahres 20 Menschen in Folge ausländerfeindlicher Überfälle getötet und 160 verletzt. 
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