Harter Schlagabtausch zwischen Moskau und Tbilissi
Nach der Verhaftung russischer Offiziere in Georgien lässt Moskau die Mitarbeiter seiner Botschaft zurückholen. Moskau (n-ost) – Die Spannungen zwischen Russland und Georgien erreichten diese Woche einen neuen Höhepunkt. Gestern (Freitag) verlängerte ein Gericht in der georgischen Hauptstadt Tbilissi den Haftbefehl gegen vier russische Offiziere. Die Männer waren am Mittwoch und Donnerstag auf der Straße und in Geschäften wegen angeblicher Spionage verhaftet worden. Zwei der Verhafteten sollen Mitarbeiter der russischen Militärabwehr GRU sein. Ein fünfter Verdächtiger wurde ohne Begründung wieder freigelassen. Georgische Polizisten hielten die Absperrung des Hauptquartiers der russischen Truppen in Georgien am Freitag aufrecht. Das georgische Innenministerium forderte die Herausgabe eines weiteren Verdächtigen, der sich im russischen Hauptquartier versteckt halten soll. Das russische Notstandministerium begann gestern (Freitag) mit der Evakuierung der russischen Botschaftsangehörigen. Freitagnachmittag startete ein erstes Flugzeug mit Botschaftsangehörigen und Familienmitgliedern Richtung Moskau. An Bord war auch der russische Botschafter Wjatscheslaw Kowalenko. Er wurde in die russische Hauptstadt zurückbeordert.
Das georgische Innenministerium übergab den Medien am Donnerstag Videomaterial, welches die Tätigkeit eines russisches Spionagerings beweisen soll. Mit Hilfe russischer und georgischer Agenten sei versucht worden, georgische Militärbasen und Militärübungen auszuspionieren. Ziel sei es gewesen, die Integration Georgiens in die Nato zu verhindern. Ein russischer Spion soll auch in einen Bombenanschlag in der Stadt Gori verwickelt sein. Das Bildmaterial soll auch beweisen, dass es ein Treffen eines russischen Offiziers mit seinem georgischen Agenten an der georgisch armenischen Grenze gegeben habe. Der Moskauer „Kommersant“ vermutet, dass der amerikanische Geheimdienst beim Zusammentragen des Materials geholfen hat. Der russische Verteidigungsminister Sergej Iwanow reagierte auf die Verhaftung der russischen Offiziere außergewöhnlich scharf. Er sprach von einer Provokation. Angesichts der Vorwürfe würde es nicht wundern, wenn man die Offiziere beschuldige, dass sie die Sonne vom Himmel stehlen wollten. Iwanow verglich die Verhaftungen mit den Verfolgungen von Stalins Geheimpolizei im Jahre 1937.
Iwanow forderte die in Georgien stationierten russischen Militärangehörigen und ihre Familien auf, nicht auf die Straße zu gehen. In den russischen Basen in Achalkalaki und Batumi sowie im Hauptquartier in Tbilissi sind noch 2.600 russische Soldaten stationiert. Zurzeit läuft der Abzug der russischen Truppen. Bis 2008 sollen die russischen Basen geschlossen werden. Russland ist jedoch mit weiteren 3.000 Soldaten in den abtrünnigen Regionen Abchasien und Süd-Ossetien vertreten. Diese Soldaten leisten ihren Dienst im Rahmen von Friedenstruppen. Das Mandat für die russischen Friedenstruppen in Abchasien hat Tbilissi einseitig aufgekündigt.Der russische Verteidigungsminister Iwanow erklärte auf einer Tagung des Russland-Nato-Rates in Slowenien, Georgien versuche den Konflikt um Abchasien und Süd-Ossetien auf gewaltsamem Wege zu lösen. Iwanow behauptete, einige „neue Mitglieder der Nato“ würden Georgien mit Waffen sowjetischer Bauart versorgen. Russland beantragte wegen der Spannungen mit Georgien die Einberufung des UN-Sicherheitsrates. Die Sitzung war für Freitagnachmittag geplant. Der russische Politologe Sergej Markow erklärte, es habe keinen Sinn, mit der georgischen Führung zu verhandeln. Russland müsse sich an diejenigen Staaten wenden, welche Georgien finanziell unterstützten. Das sei in erster Linie die USA, aber auch die Europäische Union. Der Vorsitzende des Duma-Ausschusses für die Russen im Ausland, Andrej Kokoschin, wollte weitere Wirtschaftssanktionen gegen Georgien nicht ausschließen. In diesem Jahr verhängte Russland bereits einen Importstopp für georgischen Wein und Mineralwasser. Georgien ist von russischem Gas abhängig. Am Freitag stellte die russische Botschaft in Tbilissi die Bearbeitung von Visa-Anträgen georgischer Staatsbürger ein. Diese Maßnahme ist für Georgien äußerst schmerzlich. Jährlich werden 100.000 Visa für georgische Gastarbeiter in Russland ausgestellt. Der ehemalige georgische Präsident Eduard Schewardnadse erklärte in einem Interview mit der Zeitung „Wremja Nowostej“, das „beste Mittel“, den Konflikt zu lösen, sei ein Treffen zwischen Präsident Saakaschwilli und Präsident Putin. Angesprochen auf die Gefahr eines militärischen Konflikts meinte Schewardnadse, „Georgien kann nicht kämpfen, und Russland will es nicht.“
Ende