Russische Polizei sucht georgische Kinder
Der russisch-georgische Konflikt schwappt auf die Moskauer Schulen überVon n-ost-Korrespondent Ulrich Heyden Moskau (n-ost) – Der russisch-georgische Konflikt nimmt immer irrealere Züge an. Die Polizei macht Razzien auf Moskauer Märkten und in Wohnungen – auf der Suche nach Georgiern, die nicht offiziell in der Stadt registriert sind. Aus Angst vor den Razzien gehen viele Eltern nicht mehr auf die Straße, und nun hat die Polizei begonnen, an den Schulen nach georgischen Kindern zu suchen. Dies berichtete die Moskauer Zeitung „Kommersant“. Nach Auskünften der georgischen Landsmannschaft leben allein in der russischen Hauptstadt 100.000 Georgier. Viele sind nicht offiziell registriert.Sicherheitsbehörden und Medien haben den Druck auf die Georgier im Land enorm verstärkt. Dass die Menschenrechte darunter leiden könnten, scheint zurzeit Niemanden zu kümmern. „Sie haben ja auch unsere Offiziere verhaftet“, meint eine junge Russin auf der Straße.
Wie der „Kommersant“ berichtete, haben die Moskauer Polizeiwachen Schüler-Listen angefordert. Gesetzlich haben in Moskau auch Kinder nicht in Moskau registrierter Eltern das Recht auf Schulbesuch. Die Leiterin der Moskauer Bildungsbehörde, Ljubow Kesina, nannte die Suchaktion der Moskauer Polizei eine „Verhöhnung“. Sie werde alles tun, damit die Moskauer Kinder „unabhängig von ihrer Nationalität und der Registrierung ihrer Eltern“ zur Schule gehen können. Die Georgierin Maja Schoschitaschwili, die in Moskau registriert ist und deren Kind an eine Moskauer Schule geht, erklärte gegenüber dem Blatt, „wenn mein Kind erniedrigt wird, müssen wir von hier wegfahren“.Kontrollen mit Masken„Die Georgier sitzen heute alle zuhause“, meint die blonde Gemüse-Verkäuferin aus Moldawien, die auf einem kleinen überdachten Markt im Westen Moskaus arbeitet. Unter den Verkäufern von Gemüse, Fleisch und Nudeln geht die Angst um. Es sind Frauen und Männer aus Aserbaidschan, Georgien, der Ukraine und Moldawien, die nach Moskau gekommen sind, um ihre Familien zuhause zu ernähren. „Von uns hier hat keiner eine Registrierung“, meint die Moldawierin und zuckt mit den Schultern. Sie hat von den neuen Razzien gehört. Auf dem „Tscherejomuschkinski Rynok“ erschienen die Ordnungshüter am Donnerstag mit Masken und Maschinenpistolen. In den vergangenen Wochen wurden über 300 Georgier festgenommen. Am Freitag sollte in Tiflis ein Flugzeug mit 143 aus Russland deportierten georgischen Migranten landen. Ein zweites Flugzeug soll russische Geschäftsleute und Touristen aus Tiflis ausfliegen.
„Unter den Maßnahmen leidet nur das einfache Volk“, meint eine Griechin, die auf dem Markt Seife und Shampoo verkauft. 1992 flüchtete sie mit ihrer Familie aus der georgischen Provinz Abchasien, wo ein blutiger Bürgerkrieg tobte. Die Frau erzählt, sie habe jahrelang Schmiergelder an die Polizeiwache in ihrem Wohnbezirk zahlen müssen, weil sie nicht in Moskau registriert war. „Das fing 1994 an. Der Polizist kam zu mir nach Hause. Er kassierte das Geld wie einen ganz normalen Lohn.“ Inzwischen hat die Griechin einen georgischen Pass. Ein Verwandter registrierte sie in einem Vorort von Moskau. „Das Gesicht, das der Polizist machte, als er meine Registrierung sah, werde ich nie vergessen. Die Kormuschka (Futterstelle) war geschlossen.“Drei der größten Moskauer Kasinos, die angeblich von der georgischen Mafia kontrolliert werden, wurden in den letzten Tagen geschlossen. Jahrelang hatte es wegen der Spielhöllen keine Beanstandungen gegeben. Jetzt stellten die Sicherheitsbehörden plötzlich gravierende Mängel fest. Es fehlten Betriebsgenehmigungen für Spielautomaten, man monierte, dass das Küchenpersonal in einfachen Latschen arbeitet, was gegen die Hygienevorschriften verstößt.Viele Bürger haben Angst vor einer EskalationViele Russen meinen, es arbeiteten „zu viele“ Kaukasier auf den Märkten. Doch viele Bürger haben auch Angst, dass der Konflikt zwischen Russen und Georgiern ausufert. Noch frisch in Erinnerung sind die Unruhen in der nordrussischen Stadt Kondopoga. Bei Auseinandersetzungen zwischen Kaukasiern und Russen wurden zwei Menschen getötet.
Bei einer Hörer-Umfrage von „Radio Echo Moskwy“ – einem Radio für die gebildete Bevölkerung - lehnten 70 Prozent der Hörer die Suchaktion der Polizei an Moskauer Schulen ab. Wladimir Putin gab dem russischen Ministerpräsidenten Michail Fradkow am Donnerstag die Anweisung, die Einwanderungs-Gesetze zu überarbeiten. Die Migrationsbehörde soll in Zukunft Staaten bestrafen können, welche sich mit Russland im Konflikt befinden. Das heißt, die Einwanderungsquoten werden gesenkt oder ganz gestrichen. Der stellvertretende Leiter der russischen Migrationsbehörde Michail Tjurkin erklärte gegenüber der Zeitung Kommersant: „Die russischen Regionen brauchen keine Arbeiter mehr aus Georgien.“ Ende----------------------------------------------------------------------------------
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