Büßen für Saakaschwili
Die Georgier in Moskau sollen für ihren Präsidenten büßen, meinen viele RussenMoskau (n-ost) – Georgier in Russland leben heute in Angst. Die Polizei prüft Ausweise auf der Suche nach nicht registrierten Gastarbeitern. Letzte Woche wurden 143 Georgier, die nicht ordnungsgemäß in Moskau registriert waren, mit einem Flugzeug des russischen Katastrophenministeriums nach Tiflis abgeschoben. Zahlreiche große Kasinos, die Georgiern gehören sollen, wurden geschlossen. Das Fernsehen berichtete über die Schließungen in einem Ton, als ob es um einen Sieg über die Georgier geht. Von der antigeorgischen Kampagne in Russland sind alle Menschen georgischer Abstammung betroffen, Kasino- und Restaurant-Besitzer, Gemüsehändler, Schulkinder und Künstler. Anlass der von Behörden und Medien geführten Kampagne war ein zunehmend scharfer Ton des georgischen Präsidenten Michail Saakaschwili gegenüber Russland und die Verhaftung von sechs russischen Offizieren in Georgien - die inzwischen wieder freigelassen wurden. Die russische Menschenrechtsorganisation „Memorial“ kritisiert sowohl die russische als auch die georgische Seite. „Die georgische Führung hat in ihrer Tonlage gegenüber Russland das Gefühl für die Realität verloren“. Dies rechtfertige jedoch nicht die „unverhältnismäßigen Sanktion gegen die Georgier insgesamt“.Der georgische Präsident Michail Saakaschwili verurteilte die Maßnahmen der Moskauer Polizei als „ethnische Diskriminierung“. Die Maßnahmen erinnerten an „die allerschlimmsten Ereignisse im 20. Jahrhundert.“ Saakaschwili erklärte, wegen der Deportation von Georgiern aus Moskau prüfe man eine Klage vor dem Europäischen Menschengerichtshof. Georgien untersagte am Montag die Landung von Transportmaschinen des russischen Katastrophenministeriums, mit denn deportierte Georgier aus Moskau nach Tiflis gebracht werden sollten. Auf dem Rückweg sollten die Flugzeuge russische Touristen aus Tiflis nach Moskau bringen. Saakaschwili erklärte provokant, wenn Russland nicht in der Lage sei, Flugzeuge zur Verfügung zu stellen, wie sie in der ganzen Welt zum Transport von Menschen üblich sind, könne Georgien „Hilfe leisten“.Boris Akunin im Visier
Präsident Putin ordnete letzte Woche eine Überarbeitung der Einwanderungsgesetze an. Staaten, mit denen Russland sich im Konflikt befindet, droht nun der Entzug einer Einwanderungsquote. Der stellvertretende Leiter der russischen Migrationsbehörde, Michail Tjurkin, erklärte bereits, „die russischen Regionen brauchen keine Arbeiter mehr aus Georgien.“ Der Beamte erklärte, von einer Million Georgiern, die in Russland leben, sei die Hälfte nicht ordnungsgemäß registriert.Letzte Woche nahm die Steuerbehörde Ermittlungen gegen einen der in Russland bekanntesten Krimi-Autoren auf. Die Einkünfte des Georgiers Grigori Tschartischwili, der unter dem Pseudonym Boris Akunin Detektivromane schreibt, werden überprüft. Mit seinem ersten Roman „Fandorin“ wurde Akunin 1998 in ganz Russland bekannt. Der Hauptdarsteller „Erast Petrowitsch Fandorin“ ist ein positiver Held, der nach humanistischen Grundsätzen für Gerechtigkeit kämpft, aber an korrupten Gegenspielern scheitert. Für die Ermittlungen gegen seine Person hatte Akunin in einem BBC-Interview nur Spott über. „Für mich ist das interessant. Ich bin Schriftsteller und habe einen katastrophalen Mangel an Eindrücken.“Auch der georgische Bildhauer Surab Zereteli, der für die Hauptstadt - Dank seiner Freundschaft zum Moskauer Bürgermeister – zahlreiche, meist kitschige Bronze-Denkmäler schuf, bekam Ärger. Just in diesen Tagen entdeckte der Rechnungshof, dass die von Zereteli geleitete Akademie der Künste 2,1 Mio. Rubel (62.000 Euro) veruntreut hat. Der Rechungshof bestritt dass es für die Beanstandung einen politischen Hintergrund gibt. Die Ermittlungen gegen Zereteli hätten bereits vor einem Jahr begonnen.Einbehalten von PässenZereteli und Akunin sind nur die beiden prominentesten Fälle der antigeorgischen Kampagne. Mehrere große Kasinos wurden geschlossen. Jahrelang hatte es keine Beanstandungen gegeben. Nun stellte man plötzlich fest, dass Betriebsgenehmigungen für Spielautomaten fehlten und das Küchenpersonal in einfachen Latschen arbeitet, was gegen die Hygienevorschriften verstößt. Auf einem der großen Märkte, dem Tscherjomuschkinski Rynok, erschienen am Donnerstag Polizisten in Masken und mit Maschinenpistolen. Sie suchten nicht registrierte Georgier. Wie der Radiosender „Echo Moskwy“ am Sonnabend berichtete, behält die Polizei bei ihren Straßen- und Marktkontrollen häufig die Pässe von Georgiern ein oder zerreist vor den Augen der Markthändler die Standgenehmigungen. Vor der georgischen Botschaft, wohin sich viele Georgier in den letzten Tagen geflüchtet hatten, kontrollierte die Polizei die Pässe und nahm mehrere Georgier fest. Suche nach georgischen SchülernUm die nicht registrierten Georgier zu finden, die sich aus Angst vor Abschiebung in ihren Wohnungen versteckt halten, hat die Polizei begonnen, auch Schulen zu kontrollieren. Nach dem Gesetz haben alle Kinder in Moskau, unabhängig davon, ob ihre Eltern offiziell in der Stadt registriert sind oder nicht, ein Recht auf Schulbesuch. Wie die Zeitung „Kommersant“ berichtete, fordern die Polizeiwachen jetzt von den Schulen Listen der Schüler. Das Innenministerium bestritt, dass es eine derartige Anweisung an die Polizei gibt. Doch die Moskauer Bildungsbehörde bestätigte, dass die Polizei die Schulen überprüfe.
Die Leiterin der Moskauer Bildungsbehörde, Ljubow Kesina, nannte die Suchaktion der Moskauer Polizei eine „Verhöhnung“. Sie werde alles tun, damit die Moskauer Kinder, „unabhängig von ihrer Nationalität und der Registrierung ihrer Eltern“, zur Schule gehen können. Die Georgierin Maja Schoschitaschwili, die in Moskau registriert ist und deren Kind an eine Moskauer Schule geht, erklärte gegenüber dem Blatt, „wenn mein Kind erniedrigt wird, müssen wir von hier wegfahren“.Ende