Das meiste Schmiergeld klebt am Öl
Der Gang auf ein Amt Im Durchschnitt sieben Prozent seines Umsatzes muss ein russischer Geschäftsmann an Schmiergeld an die Staatsdiener abführen. Dies hat die russische Anti-Korruptionsstiftung „Indem“ ausgerechnet. „Indem Moskau“ nennt eine Zahl von 39 Millionen Geschäften im Jahr 2005, bei denen Schmiergeld im Spiel war. Im Jahre 2001 hätte ein Unternehmer im Durchschnitt noch 23 000 US-Dollar pro Jahr für die Bestechung von Beamten ausgegeben, derzeit seien es jährlich bereits 244 000 Dollar, eine Steigerung um das Zehnfache.
Nach Einschätzung von Transparancy International werden 90 bis 95 Prozent der Bestechungsdelikte gar nicht erst entdeckt. In Russland sei die Bestechlichkeit und die Bereitschaft zur Bestechung in vielen Bereichen bereits Alltag geworden. Immer mehr Unternehmer beklagten sich darüber, dass ihr Geschäft unrentabel wird, da die Ausgaben für „informelle Vereinbarungen“ steigen. Das Geschäft mit dem Öl ist besonders betroffen. Das meiste Schmiergeld klebe am Öl, und die meisten Ölförderländer seien in hohem Masse anfällig für Bestechungsgelder, betont Transparancy International. Zwar sei die Bereitschaft der Bürger, mit Schmiergeld Probleme zu lösen, in Russland zurückgegangen: Während 2001 fast drei Viertel der Bevölkerung bereit waren, Beamte zu schmieren, liegt diese Zahl 2006 bei 53 Prozent.
Der „Appetit“ der Beamten wachse jedoch, und was nicht quantitativ gelinge, werde eben qualitativ nachgeholt. Die russischen Justizbehörden, die eigentlich die Korruption bekämpfen sollten, sind selbst nicht weniger bestechlich. „Indem“ zufolge wurden 2005 zwar 3600 Urteile in russischen Korruptionsverfahren gesprochen. Doch nur 507 sahen eine Freiheitsstrafe vor. Die Wahrscheinlichkeit, wegen Korruption hinter Gittern zu landen, schätzen die Soziologen der Indem-Stiftung auf gerade einmal 0,0013 Prozent. Nicht erstaunlich, dass laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts „ROMIR-Monitoring“ aus dem Oktober 2003 99 Prozent der Russen überzeugt sind, die meisten Richter seien korrupt. Offensichtlich hat sich seit dieser Zeit nicht viel geändert. „Es ist kein Geheimnis mehr, dass die Gerichte eine Art Warenhäuser geworden sind. Als Ware werden allerdings Gerichtsentscheide angeboten“, äußerte sich der Gouverneur des Gebiets Irkutsk, Boris Goworin, im März 2005.
Das Ausmaß des Problems hat sich inzwischen bis in den Kreml herumgesprochen: Am 1. November 2006 hat der russische Ministerpräsident Michail Fradkow ein neues Staatsprogramm für die Entwicklung des Gerichtssystems 2007 - 2011 angekündigt, welches die Transparenz der Justiz gewährleisten soll. Das neue Programm wird mit der für das russische Gerichtssystem beispiellosen Summe von 48,5 Milliarden Rubel (1,94 Milliarden Dollar) dotiert. Unter anderem sollen künftig die russischen Richter ihre Einkommen öffentlich deklarieren. Bisher haben sich die Richter in Russland geweigert, ihre Einkünfte offen zu legen.