Polen

Polen bringt EU-Partner erneut gegen sich auf

Warschau blockiert Verhandlungen mit Russland – Bundesregierung: Polen isoliert sichWarschau (n-ost) Vor fast genau drei Jahren legte sich Polen schon einmal bei einem EU-Gipfeltreffen quer. Damals, im Dezember 2003, scheiterte in Brüssel die Verabschiedung der EU-Verfassung am Nein Warschaus und Madrids. Polen und Spanien wollten lieber am Abstimmungsmodus des bis heute gültigen Vertrags von Nizza festhalten, als zu dem für sie angeblich schlechteren Prinzip der doppelten Mehrheiten im EU-Ministerrat überzugehen, wie es der Entwurf des Verfassungskonvents vorsah.Nun steht Polen erneut alleine da. Von allen Seiten hagelt es Kritik am Veto des Landes gegen Verhandlungen der EU mit Russland über ein neues Partnerschaftsabkommen. Der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Gernot Erler (SPD), warf Warschau „Sturheit“ vor.
Alle 24 anderen EU-Staaten hatten grünes Licht für die Gespräche gegeben, die eigentlich am Freitag beim Gipfeltreffen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin feierlich beginnen sollten. Doch Warschau verweigerte seine Zustimmung.Protest gegen Moskauer Importverbot für Fleisch aus PolenDer Eklat wegen der polnischen Blockade beim EU-Russland-Gipfel in Helsinki war fast so groß wie bei der Ablehnung des Verfassungsentwurfs. Das jetzige Veto kam nicht nur für Brüssel, sondern auch für Experten in Warschau unvermittelt. Weder Politiker noch Diplomaten hatten die EU offenbar frühzeitig auf die polnischen Bedingungen für das EU-Verhandlungsmandat mit Russland vorbereitet. Erst vor knapp zwei Wochen machte die polnische Außenministerin Anna Fotyga das Ja ihrer Regierung davon abhängig, dass Russland die internationale Energie-Charta ratifiziert und sein seit einem Jahr bestehendes Importverbot für Fleisch und Gemüse aus Polen aufhebt.Russland bleibt hartBeides lehnt Moskau ab. Putins Beauftragter für die Beziehungen zur EU, Sergej Jastrschembski, erklärte, Russland werde „weder heute noch morgen“ die Energiecharta in ihrer jetzigen Form unterschreiben. Auch auf dem Embargo gegen polnische Agrarprodukte beharrt Russland. Putin betonte in Helsinki: "Unter den derzeitigen Bedingungen sind wir gezwungen, alle polnischen Lebensmitteleinfuhren weiter zu unterbinden." Er fügte hinzu: „Polen sollte seine Produzenten und nicht Betrüger aus anderen Ländern schützen.“Moskau wirft Warschau vor, dass es massive Fälschungen bei der Deklarierung von polnischen Lebensmitteln beim Export nach Russland gegeben habe. Geliefertes Fleisch stamme entgegen der Zollzertifikate nicht aus Polen. Die Regierung in Warschau hatte bereits Ende 2005 Fehler bei der Deklarierung eingeräumt. Mittlerweile würden die Exporteure aber alle Auflagen erfüllen. Das russische Importverbot sei nur noch politisch motiviert, klagte Premierminister Jaroslaw Kaczynski. Er forderte vergangene Woche im Gegenzug EU-Sanktionen gegen Russland.Zuvor hatte Moskau bereits damit gedroht, den Import sämtlicher tierischer Erzeugnisse aus der EU ab Januar zu verbieten. Dabei verwies es auf die Schweinepest in Rumänien und Bulgarien, die Anfang 2007 der EU beitreten.Russland wichtiger Handelspartner für PolenDer polnischen Lebensmittelindustrie ist nach einer Schätzung einer Warschauer Zeitung durch das Moskauer Importverbot ein Schaden von 400 Millionen Euro entstanden. Russland ist seit einigen Jahren ein immer wichtigerer Handelspartner für Polen. Russland belegt Platz sieben auf der polnischen Exportrangliste. 2005 lieferte Polen Waren für fast vier Milliarden US-Dollar nach Russland. Der Warenumfang in umgekehrte Richtung ist mit fast neun Milliarden US-Dollar mehr als doppelt so groß. Polen exportiert hauptsächlich chemische Produkte nach Russland. Agrarprodukte hatten 2005 nur einen Anteil von 16 Prozent.Warschauer Presse gespaltenIn der Warschauer Presse gab es sowohl positive als auch negative Kommentare zum EU-Veto der Regierung. Das Verhalten von Außenministerin Fotyga sei „peinlich - sowohl gegenüber der russischen Diplomatie als auch gegenüber der EU-Diplomatie“, schrieb das Magazin „Wprost“ in seiner Onlineausgabe. Polen ruiniere so seinen Ruf in der EU. Die Tageszeitung „Rzeczpospolita“ meinte hingegen: „Brüssels Naivität in den Beziehungen zu Moskau kennt keine Grenzen. Gut, dass es in Europa noch ein Land gibt, das Russland tausendmal besser kennt als die sich auf Schritt und Tritt kompromittierenden EU-Diplomaten." *** Ende *** ---------------------------------------------------------------------------------
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