Russland

Mysteriöse Erkrankung von Jegor Gajdar

Russische Wirtschaftsreformer liegt mit Verdacht auf Vergiftung in Moskauer KrankenhausMoskau (n-ost) – Die Reihe mysteriöser Erkrankungen und Todesfälle um russische Regimekritiker reißt nicht ab. Am Freitag letzter Woche, einen Tag nach dem Tod des Ex-Geheimdienstoffiziers Aleksandr Litwinenko in einem Londoner Krankenhaus, wurde der ehemalige russische Ministerpräsident und Reformpolitiker Jegor Gajdar bewusstlos in ein Krankenhaus in Dublin eingeliefert. Bei der Vorstellung seines Buches „Tod eines Imperiums: Lehren für das heutige Russland“, war der 50-Jährige nach Berichten von Augenzeugen zusammengebrochen. Nach einem Bericht der Moskauer Zeitung „Kommersant“ vermuten die Ärzte eine Vergiftung. Wie die „Financial Times“ berichtete, musste sich der Politiker häufig blutig Erbrechen. Zurzeit wird Gajdar in einem Moskauer Krankenhaus behandelt. Nach Auskunft der Ärzte ist sein Zustand „stabil“. Die russischen Ärzte haben bisher nicht erklären können, woran Gajdar erkrankt ist. Wie Maria Gajdar, die Tochter des Politikers, gegenüber dem russischen Fernsehkanal NTW erklärte, wurde ihr Vater in Dublin auf der Intensivstation behandelt. Er sei drei Stunden ohne Bewusstsein gewesen. „Die Ärzte sagten, sein Leben sei in Gefahr.“ Gajdars Pressesprecher, Waleri Natarow, erklärte gegenüber dem Fernsehkanal NTW, man müsse die Untersuchungen der Ärzte abwarten. Wahrscheinlich handele es sich um eine Vergiftung, ein radioaktiver Anschlag wie im Falle von Litwinenko sei aber wenig wahrscheinlich.Die mysteriöse Kette von Morden und seltsamen Krankheiten heizen in Moskau die Spekulationen um die Putin-Nachfolge an. Vertreter der russischen Elite vertraten die Meinung, hinter dem Anschlag auf Litwinenko stehe Boris Beresowski, der im Kampf gegen Putin zu allem bereit sei. Diese These wurde in den letzten Tagen durch eine weitere Variante bereichert. Der Moskauer Politologe Stanislaw Belkowski erklärte gegenüber der Internetzeitung „APN“, der Tod von Litwinenko werde von Kräfte um den ehemaligen Präsidialamtsleiter Aleksander Woloschin und den Multimilliardär Roman Abramowitsch zu einer Kampagne gegen den „bösartigen und blutrünstigen Helfer Putins“, Igor Setschin, genutzt. Setschin ist stellvertretender Präsidialamtsleiter und gilt als Kopf der ehemaligen Geheimdienstmitarbeiter (“Siloviki“) im Kreml. Die Liberalen wollten Putin zu einem Wechsel in der Führung der Sicherheitsorgane zwingen. Außerdem wolle man Putin zwingen, endlich den Gegenspieler von Setschin, den Juristen und stellvertretenden Ministerpräsidenten Dmitri Medwedjew zu seinem Nachfolger ernennen. Da man Setschin als Auftraggeber der Morde an Politkowskaja und Litwinenko diffamiere, bleibe den Liberalen und Menschenrechtlern in der Umgebung von Wladimir Putin nichts anderes übrig, als Setschin zu beseitigen.Jegor Gajdar führte Anfang der 90er Jahre die ersten Wirtschaftsreformen in Russland durch. Wegen der Liberalisierung der Wirtschaft 1992, die zu einem raschen Anstieg der Preise führte, hat er in der Bevölkerung nur wenig Anhänger. Heute leitet der Politiker in Moskau ein Institut zur Transformationsforschung. Außerdem ist er Mit-Vorsitzender der „Union der rechten Kräfte“. Die liberale Partei bemüht sich zu den Parlamentswahlen im Dezember 2007 um ein Bündnis der demokratischen Parteien. Tschubais: Gefahr eines „gewaltsamen Machtwechsels“Anatolij Tschubais, einer der Mitstreiter Gajdars aus der Zeit der ersten Wirtschaftsreformen, erklärte, man habe versucht Gajdar zu vergiften. Tschubais schloss aber ausdrücklich aus, dass die Täter aus dem russischen Geheimdienst stammen. „Die durch ein Wunder nicht aufgegangene tödliche Konstruktion ´Politkowskaja-Litwinenko-Gajdar´ wäre für die Anhänger einer nicht verfassungsmäßigen, gewaltsamen Variante des Machtwechsels in Russland sehr interessant gewesen“, erklärte Tschubais. Tschubais, der heute den staatlichen Strommonopolisten RAOJEES leitet, war im März letzten Jahres selbst Ziel eines Anschlages gewesen. Auf der Fahrt von seinem Wohnort außerhalb Moskaus zur Arbeit im Stadtzentrum wurde sein Mercedes von einer Bombe beschädigt. Danach wurde der Wagen beschossen. Tschubais wurde nicht verletzt.Ende-----------------------------------------------------------------------------
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