Moskau nimmt US-Basen ins Visier
Harte Töne gegen die Pläne zum Aufbau einer Raketenabwehr in Polen und Tschechien Moskau (n-ost) – Kaum hatten die Ministerpräsidenten von Polen und Tschechien Anfang dieser Woche erklärt, sie seien unter bestimmten Bedingungen bereit, in ihren Ländern Elemente der geplanten amerikanischen Raketenabwehr zu installieren, folgte der Donnerschlag aus Moskau. „Wenn die Regierungen von Polen und Tschechien diese Entscheidung treffen, werden die strategischen Raketentruppen fähig sein, diese Objekte als Ziel im Visier zu haben“, erklärte der Kommandeur der strategischen russischen Raketentruppen, Nikolaj Solowzow in Moskau. Die regierungsnahe „Iswestija“ sprach von einer sensationellen Erklärung. „Bisher waren keine Objekte in den früheren Ländern des Warschauer Vertrages Ziele für russische Raketen.“ In einem Nebensatz schränkte das Blatt ein, „zumindest nicht offiziell.“Abrüstungsvertrag in Frage gestellt
Der russische Generalstabschef Juri Balujewski drohte im Fall der Stationierung des amerikanischen Abwehrschirms gar mit dem Ausstieg aus dem sogenannten INF-Abkommen, einem der wichtigsten Abrüstungsverträge. Der INF-Vertrag wurde 1987 von Michail Gorbatschow und Ronald Reagan unterzeichnet. Mit dem Vertrag verpflichteten sich die beiden Supermächte zum vollständigen Abbau von Mittelstreckenraketen mit einer Reichweite zwischen 500 und 5.000 Kilometern. Der Vertrag kann mit einer Frist von sechs Monaten gekündigt werden, wenn „außergewöhnliche Ereignisse“ die nationalen Interessen gefähren. Die US-Regierung scheint Moskaus Drohung der Vertragsaufkündigung bisher nicht ernst zu nehmen. Bisher liege keine offizielle Erklärung aus Moskau vor, heißt es in Washington.Neue russische MittelstreckenraketenRaketen-Kommandeur Solowzow drohte, wenn ein Raketenabwehrschirm installiert werde, könne Russland in fünf bis sechs Jahren neue Mittelstrecken-Raketen in Dienst stellen. Außerdem werden man in kurzer Zeit Waffen entwickeln, welche einen Raketenschirm überwinden. Damit machte der General klar, dass Russland den geplanten Abwehrschirm als Bedrohung für die eigene Sicherheit sieht. Schon auf der Münchner Sicherheitskonferenz hatte Wladimir Putin in Frage gestellt, dass sich das geplante Raketenabwehrsystem gegen Staaten wie den Iran und Nordkorea richtet.
Die aktuellen Entwicklungen zeigen: Es droht ein neues Wettrüsten. Foto: Tino KünzelAm Dienstag erklärte der russische Außenminister Sergej Lawrow, Russland werde „auf neue Bedrohungen“ für seine nationale Sicherheit „ausgewogen, adäquat reagieren und sich nicht in eine neue Konfrontation, ein neues Wettrüsten ziehen lassen.“ Gleichzeitig wiederholte Lawrow Putins These von der Münchner Sicherheitskonferenz. Lawrow meinte, die „intellektuellen und anderen Überbleibesel“ des „Kalten Krieges“ müssten „überwunden werden.“Unterschiedliches SicherheitsempfindenDie scharfen Erklärungen der letzten Tage zeigen, dass die Gefahr eines neuen Wettrüstens droht. Es droht der Zusammenbruch des Ende der 80er Jahre entstandenen Abrüstungssystems. Die Angst vor einem globalen Atom-Krieg ist verblasst. Der gemeinsame Nenner über gemeinsame Anstrengungen zur Schaffung globaler Sicherheit schwindet. Russland, die osteuropäischen Staaten, Deutschland und die USA definieren ihre Sicherheitsinteressen teilweise sehr unterschiedlich. In den osteuropäischen Ländern selbst ist das Raketenabwehrsystem umstritten. Kritik gibt es sowohl in Polen als auch in Tschechien. Unklar ist die Verfügungsgewalt über die Raketen. Bisher ist nicht klar, ob sie unter US- oder Nato-Aufsicht stehen sollen. Außenminister Frank-Walter Steinmeier meinte bei einem Besuch in Baku, Moskaus Sorgen hätten früher ernst genommen werden müssen. Der CDU-Außenpolitiker Eckardt von Klaeden meinte, es wäre wünschenswert, wenn ein gemeinsamer Raketenabwehrschirm von Nato und Russland aufgebaut werden könnte. Für Deutschland wäre die Teilhabe an einem Raketenabwehsystem allerdings ein extrem teures Projekt. Zweifelhaft ist auch, ob sich eine derartige Investition überhaupt lohnen würde, denn bisher gibt es keine gesicherten Angaben über die Funktionsfähigkeit eines Abwehrschirms.Infostück:Neue Raketen
General Solowzow kündigte in Moskau an, dass Russland in den nächsten 8 Jahren 69 Interkontinentalraketen des Typs Topol-M in Dienst stellt. Die Topol-M ist eine Weiterentwicklung des Typs Topol (“Pappel“). Die neue Rakete ist 22,7 Meter lang. Sie hat ein Startgewicht von 47,2 Tonnen und eine Reichweite von 10.000 Kilometern. Die Topol-M startet aus Silos und von beweglichen Abschussrampen. Die Rakete ist mit mehreren Triebwerken ausgerüstet. Sie kann ihre Flugbahn ändern, was die Erfassung für den Gegner schwer macht.Ende-------------------------------------------
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