Russland

Katastrophenserie in Russland - über 170 Tote

„Sie schrieen im ersten Stock“Moskau (n-ost) – Im Altenheim von Kamyschewatskaja müssen sich grauenhafte Szenen abgespielt haben. In der Nacht auf Dienstag kam es in dem im südrussischen Kosaken-Dorf  zum Brand in einem Wohnheim für Rentner und Schwerbehinderte. Die Feuerwehr aus dem Nachbarort Ejsk brauchte eine Stunde, um zur Brandstelle zu kommen. Die Feuerwache in dem Kosaken-Dorf war zum Jahresende aus Kostengründen geschlossen worden. 61 der 97 Heimbewohner starben, 34 wurden in Krankenhäuser eingeliefert. „Sie schrieen. Wir sahen sie im ersten Stock. Dort waren noch keine Flammen“, berichtet Aleksandr Suprun, ein Anwohner im Fernsehkanal ORT. Suprun gelang es zusammen mit anderen Helfern 15 alte Leute vor den Flammen zu retten. Der russische Fernsehkanal RTR zeigte zerwühlte Betten, angekohlte Rollstühle und verbrannte Matratzen. Als ob nichts passiert sei, stand unter einem der Betten noch ein Nachttopf aus Emaille.Unklar bleibt, warum es nicht gelang, die Rentner und Schwerbehinderten rechtzeitig in Sicherheit zu bringen. Vermutlich wurde der Brand zu spät bemerkt. Eine diensthabende Krankenschwester starb selbst bei dem Versuch die Bewohner des Heimes zu retten. Es ist schon häufiger vorgekommen, dass bei Bränden in russischen Sozialeinrichtungen Fluchtwege versperrt waren. Für wichtige Türen sind die Schlüssel oft nicht rechtzeitig aufzutreiben. Ein Sprecher des örtlichen Katastrophenschutzes teilte mit, Ursache des Brandes sei möglicherweise die Nichteinhaltung der Feuerschutzbestimmungen oder ein Kurzschluss. Auch Brandstiftung wird nicht ausgeschlossen. Bei der letzten Behörden-Inspektion des 20 Jahre alten Seniorenheimes waren über 30 Beanstandungen festgestellt worden. Angeblich eines der modernsten Bergwerke
 
Montagmittag war es in Russland bereits zu einer anderen großen Katastrophe gekommen.
Um 14:19 Uhr erschütterte eine gewaltige Explosion den Schacht „Uljanowskaja“ im sibirischen Nowokusnjezk-Gebiet. Die Explosion ereignete sich in 270 Meter Tiefe. Nach den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft kam es zur der Explosion, als eine neue Anlage zur Messung des Methangasgehalts geprüft wurde. Zu diesem Zweck war der Mitarbeiter einer britischen Firma zusammen mit 20 leitenden Angestellten und Ingenieuren des Bergewerkes unter Tage gefahren. Der Brite und die leitenden Ingenieure starben bei der Explosion. Insgesamt 203 Kumpel und Ingenieure befanden sich zum Unglückszeitpunkt unter Tage. 104 Bergleute starben, sechs Kumpel werden vermisst. 93 Arbeiter wurden gerettet. Nach unbestätigten Angaben, soll die Explosion durch den Einsturz einer Verschalung ausgelöst worden sein.„Die Methangasexplosion kann man mit der Beschießung durch eine großes Geschütz vergleichen“, berichtete ein Abteilungsleiter des Bergwerkes gegenüber der Zeitung „Kommersant“. Die Zerstörungen unter Tage seien „sehr ernst“, erklärte Sergej Schojgu, der Minister für Katastrophenschutz, welcher den Unglücksort besuchte. Bergleute, welche die Katastrophe 300 Meter vom Ort der Explosion entfernt überlebt hatten, wurden mit Wirbel- und Rippenbrüchen, Kopf- und Splitterverletzungen in Krankenhäuser eingeliefert.
 
Das Unglücks-Bergwerk liegt im Kusbass-Kohlebecken, 3.000 Kilometer östlich von Moskau. Das Unternehmen war erst am 7. Oktober 2002 zu Ehren des 50.Geburtstags von Präsident Wladimir Putin eröffnet worden und gilt als eines der modernsten in Russland. Jährlich werden in dem Bergwerk drei Millionen Tonnen Kohle gefördert. Betreiber des Bergwerks ist das Unternehmen Juschkusbassugol, welches zum Stahlkonzern Evraz Group gehört. Eigentümer der Evraz Group ist Russlands reichster Unternehmer, Roman Abramowitsch, dem auch der Londoner Fußballclub Chelsea gehört.Putin verspricht HilfeWladimir Putin, der am Dienstag eine Regierungs-Kommission für militärische Zusammenarbeit leitete, forderte die Kommissionsmitglieder auf, sich für eine Schweigeminute zu erheben.  Der Kreml-Chef versprach den Angehörigen der Opfer von Nowokusnjezk und Kamyschewatskaja Unterstützung. Die Gebietsverwaltung des sibirischen Gebietes Kemerow will den Familien der Bergleute eine Entschädigungs-Summe von bis zu 57.000 Euro zahlen. Der Kreml-Chef wies Regierungschef Michail Fradkow an, alles dafür zu tun, die Katastrophen auf „allerhöchstem Niveau“ aufzuklären. Im Kemerow-Gebiet wurde eine dreitägige Trauer angeordnet.Eine dritte Katastrophe hatte sich in Russland erst Sonnabend abgespielt. Damals setzte in Samara eine alte Tupolew-Passagiermaschine 400 Meter vor der Landebahn auf, vermutlich wegen eines defekten Navigationssystems. Die Maschine zerbrach, sechs Passagiere kamen ums Leben, 23 Menschen mussten in Krankenhäuser eingeliefert werden.Wie meist bei Katastrophen ertragen die Russen auch die jüngsten Ereignisse mit Fatalismus. Trotz der harten Hand Putins herrscht im Land viel Schlamperei und Gleichgültigkeit. Für die Bürger ist das nichts Neues.
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