Russland

Putin preist Russlands Offenheit

Moskau (n-ost) - Schon lange versucht der Kreml das jährlich tagende Internationale Wirtschaftsforum in St. Petersburg als "russisches Davos" herauszuputzen. Während frühere Versuche kläglich scheiterten, kam die Veranstaltung am Wochenende dem Forum in der Schweiz in Einigem schon sehr nah.
In seiner Rede erklärte Kreml-Chef Wladimir Putin, Russland sei ein "Garant der weltweiten Energiesicherheit". Die Politik der westlichen Verbraucherländer kritisierte er als "nicht eindeutig". Russland sei für einen Dialog zwischen Förder-, Transit- und Verbraucherländern. Man werde neue Schritte unternehmen, um die "Energiesicherheit auf dem eurasischen Kontinent" zu gewährleisten. Geplant sind gemeinsame Energieprojekte zwischen Russland, Turkmenistan, Kasachstan und Usbekistan.

Scharfe Kritik übte der Kreml-Chef an den westlichen Industrieländern, die "ausländischen Investoren" (gemeint war vermutlich vor allem russische Investoren)  keinen Zugang zu Wirtschaftssektoren wie Infrastruktur, Telekommunikation und Energie lassen. Russlands Wirtschaft sei dagegen offen für ausländische Investoren. Offenheit gäbe es auch bei Russlands "Infrastruktur und der Elektroenergie".
Dass es in Russland klare Bestrebungen gibt, nach denen ausländische Investoren im Energiesektor nur eine untergeordnete Rolle spielen sollen, erwähnte der Kreml-Chef nicht. So entschied Putin im Oktober letzten Jahres, dass das Schtokmann-Gasfeld in der Barentssee, eines der weltweit größten noch nicht erschlossenen Gasfelder von Russland alleine erschlossen und ausgebeutet wird. Eigentlich war ein Konsortium mit verschiedenen ausländischen Firmen geplant. Nun will man ausländische Firmen nur noch zu bestimmten Arbeiten einladen. Bei der geplanten Gasverflüssigungsanlage Sachalin-2 im Fernen Osten setzte der Kreml eine Renationalisierung durch. Gasprom übernahm jeweils die Hälfte der Anteile von ausländischen Sachalin-2-Investoren. Damit hält Russlands halbstaatlicher Gas-Monopolist jetzt 51 Prozent der Sachalin-2-Aktien.

Der Kreml-Chef erklärte, lobte die Fortschritte seines Landes bei der Integration in die Weltwirtschaft. Nach dem heutigen Stand haben russische Unternehmen im Ausland 140 Milliarden Dollar investiert, fast ebensoviel wie ausländische Unternehmen in  Russland. Ihre Investitionssumme beläuft sich insgesamt auf 150 Milliarden Dollar.

WTO "archaisch und undemokratisch"

Auffallend scharf ging Putin mit den von westlichen Industrieländern geschaffenen internationalen Wirtschaftsstrukturen ins Gericht. Die WTO, um deren Mitgliedschaft sich Russland seit 14 Jahren bemüht, bezeichnete der  Kreml-Chef als "archaisch, undemokratisch und unflexibel". Der Kreml-Chef warf den westlichen Industriestaaten Protektionismus vor. Ein Beispiel seien die Verhandlungen der WTO im Rahmen der Doha-Runde, "die, gelinde ausgedrückt, in ernsthaften Schwierigkeiten sind." Ziel der Doha-Runde ist ein verbesserter Marktzugang für Agrar-Produkte aus Entwicklungsländern in den Industrieländern.
Schon seit einiger Zeit versucht der Kreml-Chef sich zum Sprecher derjenigen Industrieländer zu machen, die nicht Mitglied der G8 sind, wie China, Indien und Brasilien. Die Welt wandele sich "buchstäblich vor unseren Augen", so Putin. Während vor 50 Jahren noch 60 Prozent des Bruttoinlandprodukts auf die G8-Staaten entfiel, "so ist es heute andersherum". 60 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts werden außerhalb der G8-Staaten produziert. Putin meinte, mit "allgemeinen Worten" über "gerechte Verteilung der Ressourcen und Investitionen" sei nichts zu erreichen. Für eine nachhaltige Entwicklung müsse man eine "neue Architektur der internationalen Wirtschaftsbeziehungen" schaffen.

In Moskau hat man offenbar nicht das Gefühl, dass Russlands Beitritt zur WTO wirklich gewünscht ist. Nachdem sich Russland mit den USA im November letzten Jahres über den WTO-Beitritt einigten, haben nun Georgien, Polen und Finnland Widerstand angekündigt. Der Leiter der russischen Verhandlungsdelegation Maxim Medwedkow erklärte gegenüber dieser Zeitung, er vermisse das Signal der westlichen Industriestaaten an ihre Verhandlungsdelegationen, die Gespräche über den russischen Beitritt "zu Ende zu führen".

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Ulrich Heyden


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