Russland

Lachen wie im Irrenhaus

Mit Lärm-Attacken versuchten Kreml-nahe Kräfte eine Kundgebung von Oppositionsführer Garri Kasparow in Moskau zu stören.

Moskau (n-ost) - Wer am Montag an der Kundgebung des Oppositionsbündnisses "Das Andere Russland" vor dem Puschkin-Denkmal in Moskau teilnehmen wollte, brauchte Nerven. Auf dem Weg zur Kundgebung musste man eine Sicherheitsschleuse passieren und man wurde nach gefährlichen Gegenständen durchsucht. Auf beiden Seiten des Platzes standen Polizisten mit Schäferhunden, die unruhig an ihren Leinen rissen und um den Platz, auf dem sich 1.500 Menschen versammelt hatten, fuhr unablässig ein Lastwagen vollgestellt mit Lautsprecherboxen. Aus denen tönte ein irres Lachen, so wie man es von billigen Scherzartikeln kennt.

Mit dem irren Lachen wollten offenabr Kreml-nahe Kräfte den Liberalen, Linken und Nationalisten, die sich auf dem Platz versammelt hatten, den letzten Mut nehmen. Aber die Demonstranten ertrugen die Lach-Attacke stoisch. Manch einer fühlte sich an Sowjetzeiten erinnert, als Andersdenkende wie Irre in psychiatrische Anstalten eingeliefert wurden. Die Demonstranten riefen unverdrossen "Nieder mit der Macht der Tschekisten" und "Putin zum Skifahren nach Magadan". Zu Sowjetzeiten wurden in die fernöstliche Region Regime-Kritiker deportiert.
Garri Kasparow, der zurzeit versucht, mit einer Serie von Kundgebungen und Demonstrationen, die Opposition gegen Putin zusammenzuschmieden, erschien nicht gleich auf der Rednertribüne. Er musste erst noch seinen Pass holen. Die Polizei hatte ihn auf dem Weg zur Kundgebung angehalten und der Ex-Schachweltmeister, den in Russland jeder erwachsene Mensch kennt, konnte sich nicht ausweisen. Kasparow meint, die Opposition müsse sich möglichst häufig auf Straßen und Plätzen zeigen, sonst werde sie nicht wahrgenommen und weiter totgeschwiegen. Am Sonnabend hatte "Das Andere Russland" mit 2.000 Menschen auch in St. Petersburg eine friedliche Demonstration veranstaltet.

In Moskau erlaubte die Polizei nur eine Kundgebung. Der Kundgebungsplatz vor dem Puschkin-Denkmal war so hermetisch von Einheiten der Sonderpolizei OMON und Soldaten des Innenministeriums abgeriegelt, dass jeder Versuch, doch noch zu einer Demonstration loszumarschieren, aussichtslos war. So rief Kasparow die Versammelten bald dazu auf, nach Hause zu gehen. Bei der letzten Aktion des Oppositionsbündnisses Mitte April in Moskau war es wegen der nichtgenehmigten Demonstration zu einem massiven Polizeieinsatz gekommen.

Wegen der häufigen Zahl von Straßenaktionen gibt es aber auch Kritik innerhalb des Oppositionsbündnisses. Der ehemalige russische Ministerpräsident Michail Kasjanow, der dem Oppositionsbündnis angehört und selbst bereits seine Kandidatur zu den Präsidentschaftswahlen angekündigt hat, will deren Zahl eher reduzieren. Noch ist nicht klar, welchen offiziellen Kandidaten das "Das andere Russland" zu den Präsidentschaftswahlen im März nächsten Jahres aufstellt. Vor kurzem hatte auch Viktor Geraschenko - in den 90er Jahren Chef der russischen Zentralbank - seine Bereitschaft erklärt, für "Das andere Russland" zu kandidieren. Geraschenko hatte sich dafür ausgesprochen, dass alle oppositionellen Kräfte, von der KP bis zur rechtsliberalen "Union der Rechten Kräfte", einen gemeinsamen Kandidaten aufstellen. Doch KP-Chef Gennadi Sjuganow hat bereit seine eigene Kandidatur angekündigt.

Ende


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Ulrich Heyden


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