Keine Chance für unabhängigen Journalismus
Aserbaidschan wird von Russlands Präsident Wladimir Putin als möglicher Standort einer gemeinsamen Radaranlage mit den Amerikanern ins Spiel gebracht. Der Staat am Kaspischen Meer ist international wegen seiner Rohstoffe und seiner strategischen Lage ein begehrter Partner. Dabei sieht man über demokratische Defizite gerne hinweg.
Aser Abilow (52) ist Journalist und Schriftsteller. 1997 floh er aus Aserbaidschan nach Deutschland, wo er politisches Asyl erhielt. Momentan lebt Abilow mit seiner Familie in Bonn. Zu Sowjetzeiten kämpfte er gegen die literarische Nomenklatur, gegen die Lüge, die für die Sowjetliteratur oft charakteristisch war, und versuchte, das Leben in Aserbaidschan realistisch darzustellen. Aus diesem Grund blieben viele seine Werke unveröffentlicht.
Als es 1988 zu einer demokratischen Bewegung in Aserbaidschan kam, nahm Abilow wie viele Dissidenten daran begeistert teil. Bald wurden von den demokratischen Kräften auch neue Zeitungen gegründet: Die Zeitungen "Azadlik" ("Freiheit") und "Muchalifet" ("Opposition") errangen nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und der Machtübernahme durch die Opposition 1992 für kurze Zeit den Status richtiger Volkszeitungen. Abilow arbeitete lange als Redakteur bei der Zeitung "Muchalifet". 1993 aber wurden die Demokraten in Aserbaidschan gestürzt. Der ehemalige Erste kommunistische Sekretär des Landes und Vize-Ministerpräsident der Sowjetunion, Hejdar Alijew, gelangte an die Macht. Alijew versuchte sofort, die nach jahrelangem Kampf erreichte Pressefreiheit wieder einzuschränken. Die offizielle Zensurbehörde der Sowjetzeit - verbrämt als "Hauptamt für Literatur" - wurde neu gegründet. Den unabhängigen Journalisten wurde jede Kritik am Regime Alijew und seinen an der Macht beteiligten Verwandten verboten.
Es bestand jedoch weiter die Hoffnung, dass unter dem Druck von Organisationen wie der OSZE, dem Europarat, deren Mitglied Aserbaidschan schon seit mehreren Jahre ist, sich die Lage der Journalisten wieder verbessern würde. Obwohl 1998 die offizielle Zensur unter Druck der internationalen Organisationen abgeschafft wurde, fanden die Machthaber Aserbaidschans andere Methoden, die Presse weiter zu unterdrücken: So führten hochrangige Beamte endlose Gerichtsprozesse gegen die aserbaidschanischen Zeitungen. Als Straftatbestand nannte man immer "Die Beleidigung der Persönlichkeit und Würde" des Beamten. Sehr oft verloren die Zeitungen diese zweifelhaften Prozesse und als Strafe mussten sie, für aserbaidschanische Verhältnisse, astronomische Geldbeträge bezahlen.
Nach den Präsidentschaftswahlen 2003, mit denen kurz vor dem Tod des erkrankten Präsidenten die Machtübergabe an dessen Sohn erreicht wurde, verschlechterte sich die Lage der Journalisten noch mehr. Der neue Präsident Ilham Alijew ignorierte trotz seiner westlichen Orientierung in Wirtschaftsfragen immer mehr die Forderungen nach Freiheit der Presse. Gleichzeitig wurde das Land wegen seiner Öl- und Gas-Vorkommen und seiner strategischen Lage für die USA und EU zum begehrten Partner, den man nicht übermäßig kritisiert. Der Staat nutzte dies aus, um unabhängigen Journalismus noch stärker zu unterdrücken.
Im März 2005 wurde der Chefredakteur der Zeitschrift "Monitor" Elmar Hussejnow ermordet. Viele Zeitungsredaktionen wurden danach überfallen, mehrere Journalisten entführt und geschlagen. In den letzten elf Monaten wurden sieben Journalisten zu Freiheitsstrafen von einem bis vier Jahren verurteilt. Als Kläger gegen sie traten Minister und Abgeordnete auf. Zwei Journalisten wurden sogar aus religiösen Gründen verurteilt: Es ging dabei um die angebliche Lästerung des Propheten Mohammed. Dies ist ein seltsames Manöver in einem Staat, der praktisch ausnahmslos von ehemaligen Kommunisten - also Atheisten - geführt wird.
Anfang April 2007 erklärte das US-Statedepartment seinen Unmut wegen der Verfolgung von Journalisten in Aserbaidschan. Aufsehen erregte dann auch der Fall des bekannten Journalisten Ejnulla Fatullajew, der Ende April zu zweieinhalb Jahren Freiheitsstrafe wegen Beamtenbeleidigung verurteilt wurde. Der Generalsekretär des Europarates, Terry Davis, und der bei der OSZE für die Pressefreiheit verantwortliche Miklos Harasti griffen das Regime in Baku daraufhin öffentlich an. Auch der deutsche Botschafter in Aserbaidschan, Per Stankina, wurde aktiv. Seinen Angaben zufolge würde auch die EU die Probleme der aserbaidschanischen Journalisten mit den Offiziellen in Baku diskutieren.
Fraglich ist aber, ob sich die Lage der Journalisten in Aserbaidschan tatsächlich zum Guten verändert. Wird die aserbaidschanische Regierung etwa den umstrittenen Straftatbestand des "Anwurfes" abschaffen? Nach Ansicht des nach Deutschland geflohenen Aser Abilow wird sich in Aserbaidschan nichts verändern, solange die heutigen Machthaber dort regieren. Viele journalistische Kollegen Abilows haben ebenfalls die Hoffnung aufgegeben und wenden sich derzeit an die ausländischen Botschaften mit der Bitte um Asyl: Sie sind sicher, dass es heute keine Chance mehr für eine unabhängige und kritische Presse in Aserbaidschan gibt.