Flughafen Katowice hebt ab
Eröffnung eines neuen Terminals am 9. Juli / Polenweit die Nummer Zwei
Katowice (n-ost) - "Kaum zu glauben, aber ich habe gerade nach 20 Jahren einen alten Arbeitskollegen getroffen", sagt Tomasz Mikuszewski begeistert, als er am Terminalgebäude des Flughafens Pyrzowice steht. Der 57-Jährige lebt seit fast 20 Jahren in Siegen, reist aber regelmäßig in seine heimatlichen Gefilde im oberschlesischen Gliwice. "Erst seit es zwischen Frankfurt-Hahn und dem Flughafen hier eine Verbindung gibt, habe ich das Fliegen gelernt", sagt er schmunzelnd. Beim Vergleich zwischen beiden Airports sieht Mikuszewski den polnischen vorne: "Hahn ist im Vergleich mit Pyrzowice irgendwie lieblos zusammen geschustert. Dagegen ist das hier zwar klein, aber fein", sagt der gelernte Agraringenieur. Und schiebt gleich hinterher: "Hier könnten sich die Deutschen von den Polen eine Scheibe abschneiden."
Flughafen Katowice
Jan Opielka
Ähnlich wie der Provinzflughafen Frankfurt-Hahn hat Katowice eine militärische Vergangenheit. Der Standort wurde im Zweiten Weltkrieg von den Deutschen als Ersatzflughafen gebaut und diente bis in die 90er Jahre als polnischer Militärflughafen. Während Hahn neben dem Cargo-Aufkommen fast ausschließlich auf Billig-Airlines setzt, wird der Airport in Pyrzowice heute auch von Fluglinien wie der Lufthansa und der polnischen LOT angeflogen. 30 meist westeuropäische Ziele werden von Katowice aus angeflogen - darunter Frankfurt/Main, München und Köln-Bonn.
Im innerpolnischen Vergleich landet Pyrzowice vom Passagieraufkommen her bereits an dritter Stelle. Und die Entwicklungsmöglichkeiten sehen recht rosig aus, glaubt man Experten wie etwa Joanna Hawlena vom Lehrstuhl für Transportwesen an der Wirtschaftsakademie Katowice. Neben Arbeitsmigranten und Touristen erwartet die Ökonomin eine steigende Zahl von Geschäftskunden, die über Pyrzowice fliegen. Vor allem die Gesellschaften LOT und Lufthansa profitierten dabei von den regen Wirtschaftsbeziehungen zwischen Oberschlesien und Deutschland. "Die Menschen wollen nicht mehr nur über Warschau fliegen. Allerdings gehen bestimmte Flüge bislang nur über die Hauptstadt", sagt Joanna Hawlena. Bislang gäbe es eben nur innerhalb der EU den so genannten offenen Himmel (Open Skies) im zivilen Flugverkehr - mit weitgehend marktwirtschaftlicher Liberalisierung aller Flugrouten. In die USA etwa könnten noch nicht ohne weiteres Flüge angeboten werden.
Boomsektor Flugverkehr
Alle polnischen Flughäfen bedienten 2006 gut 15 Millionen Passagiere, ein Anstieg gegenüber dem Vorjahr um 33 Prozent. Im europäischen Schnitt gab es im gleichen Zeitraum Zuwächse von 6,3 Prozent. Für 2007 rechnet das polnische Transportministerium in Polen mit einem Aufkommen von bis zu 20 Millionen Fluggästen; für 2020 prognostiziert das Amt für Zivilluftfahrt in Warschau rund 40 Millionen Flugreisenden in Polen.
Davon möchte der Flughafen in Katowice-Pyrzowice ein möglichst großes Stück abhaben - und den Konkurrenzairport in Krakow-Balice, bislang die nationale Nummer Zwei, überflügeln. "Das neue Terminal, dass am 9. Juli öffnet, wird dem Flughafen eine Passagier-Kapazität von etwa 3,6 Millionen jährlich ermöglichen", sagt Flughafen-Pressesprecher Cezary Orzech. Ursprünglich sollte es mit der Öffnung bereits im April soweit sein, doch es gab Probleme mit der fristgerechten Verwendung staatlicher Zuschüsse. Die Fläche der beiden Terminals wird nahezu das Dreifache der bisherigen Fläche betragen.
Bereits jetzt ist zudem ein Projekt ausgeschrieben, das die aktuelle Investition um ein Vielfaches übertreffen soll - Orzech spricht von einem Volumen von umgerechnet 70 Millionen Euro. Damit solle nicht nur ein komplett neues, eigenständiges Terminal-Gebäude errichtet werden, "denn wir wollen den Ballon nicht noch mal aufblasen", so der Pressesprecher schmunzelnd. Es werde zusätzlich eine zweite Starbahn erwogen; auch um "künftig das Cargo-Zentrum für ganz Südpolen zu werden", wie Orzech orakelt. 2012 soll der neue Terminal bereit stehen.
Verkehrsanbindung: fast gut
Genährt werden diese ehrgeizigen Bestrebungen auch durch günstige äußere Rahmenbedingungen: Pyrzowice ist der am höchsten gelegene Flughafen Polens mit den wenigsten Nichtflug-Tagen, es gibt kein Nachtflugverbot wie etwa in Warschau. An der Verkehrsinfrastruktur bastelt man noch. Ein teilweise fertig gestellter Zubringer verbindet den Flughafen schon jetzt mit der Schnellstraße nach Warschau und Katowice. Hier gab es kleinere Proteste von Anwohnern einer nahe gelegenen Gemeinde, die sich für ihre Grundstücke nicht ausreichend entschädigt fühlten. Die im Bau befindliche Nord-Süd Autobahn A 1 soll in einigen Jahren direkt am Airport entlang verlaufen.
Nicht recht vom Fleck kommt indessen die anvisierte Zuganbindung in das nur 30 Kilometer entfernte Katowice - vor 2012 rechnet der Flughafen nicht mit einem Beginn der Bauarbeiten. "Das ist wirklich schlecht", sagt Ökonomin Hawlena. "Die Menschen in Polen sind zwar daran gewöhnt, zum Flughafen mit dem Auto zu fahren - oder gefahren zu werden." Doch verweist die Krakauerin darauf, dass eine kürzlich eröffnete Bahnstrecke vom Zentrum Krakaus zum Flughafen Balice rege genutzt wird. "Vor allem für ausländische Touristen wäre das von Vorteil, wenn die Bahnstrecke auch in Pyrzowice eröffnet wird", meint Hawlena.
Interessant ist indes die Zusammensetzung der Flughafen-Teilhaber. Während die Oberschlesische Fluggesellschaft (GTL) den Betrieb des Flughafens sichert, sind die drei wichtigsten Teilhaber die Wojewodschaft Schlesien mit 39,7 Prozent, die Kohlehandels- und Investitionsgesellschaft Weglokoks AG (40%) sowie der staatliche Flughafen-Betreiber Porty Lotnicze PPL (17,8%). Da auch Weglokoks zu 100 Prozent vom Staat gehalten wird, ist der Flughafen fest in Staatshand. PPL betreibt als Hauptaktivität den wichtigsten nationalen Flughafen in Warschau und bezeichnet diesen als seine "Visitenkarte". Wohl auch deshalb könnte diese Gesellschaft eine Bremserfunktion bei der Entwicklung von Pyrzowice haben, die Ökonomin Hawlena aber nicht bestätigen will. Gleichwohl widerstreben der PPL die Bemühungen um einen neuen, internationaleren Namen für Pyrzowice - "Silesia Airport". Die Kosten der Umstellung seien zu hoch, heißt es bei PPL. Dennoch wird die Namensänderung früher oder später kommen. Der aussprechbar klingende Namen "Silesia Airport", angelehnt an die im Entstehen begriffene gleichnamige Großregion mit über zwei Millionen Einwohnern, sei dabei erste Wahl, bestätigt Pressesprecher Orzech.
Fluggast Tomasz Mikuszewski scheint der jetzige Name des Flughafens indes nicht zu stören, aussprechen kann er ihn fast besser als den möglichen neuen. Das Wichtigste für ihn: Die Flieger sollen weiterhin seine alte und neue Heimat verbinden, möglichst zu respektablen Preisen. "Und wenn ich dann jedes Mal einen neuen alten Freund treffe, umso besser", sagt er lachend.
Infokasten:
Knapp 1,5 Millionen Passagiere bei rund 21.000 Flugbewegungen wurden 2006 auf dem Flughafen Katowice/Pyrzowice gezählt.
Mit über 3 Millionen Fluggästen jährlich rechnet der Airport-Betreiber ab 2011, 2014 soll die 4-Millionen-Grenze geknackt werden.
1300 Beschäftigte sind am Flughafen tätig, darunter Arbeitnehmer der Betreibergesellschaft, als auch Grenzpersonal und Beschäftigte privater Dienstleistungsfirmen.
Sechs deutsche Flughäfen werden von Pyrzowice aus angeflogen: Frankfurt, Frankfurt-Hahn, Düsseldorf, Dortmund, Köln-Bonn und München.
Das neue Terminal öffnet am 9. Juli 2007. Kostenpunkt der Investition: rund 17 Millionen Euro. Die Terminalfläche verdreifacht sich von 7000 Quadratmetern auf dann 21.000 qm.
Rund 350 Millionen Euro werden nach Angaben des polnischen Transportministeriums in den Jahren 2007-2013 durch das EU-Programm TEN-T für den Ausbau des gesamten polnischen Luftverkehrs in die Republik fließen. Mit etwa einem Sechstel dieser Summe rechnet der Flughafen Katowice/Pyrzowice.
**Ende**
Fotohinweis:
Die Fotos 1 und 2 zeigen den internationalen Flughafen Katowice-Pyrzowice.
Bei Bedarf können offizielle Fotos des Flughafens von der Seite www.gtl.com.pl/download/prasa.zip herunter geladen werden.
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Jan Opielka