Russland

Präsidentschaftskandidat Donskoi hinter Gittern

Bürgermeisters von Archangelsk wie ein Schwerverbrecher vorgeführt / Im Käfig vor GerichtMoskau (n-ost) - Aleksandr Donskoi, charismatischer Bürgermeisters der nordrussischen Stadt Archangelsk, war mutig genug, seine Kandidatur für die nächsten Präsidentschaftswahlen anzumelden. Nun hat der lange Arm der Staatsmacht zugegriffen: Der parteilose Donskoi wurde verhaftet, in Unterhosen wie ein Schwerverbrecher durch die Straßen geführt und in einen Käfig gesperrt.Am Mittwoch gegen Zwei Uhr Mittags schlug die Sonderpolizei OMON zu. Maskierte Polizisten umstellten den achtgeschossigen Plattenbau am Lomonossow-Prospekt in Archangelsk, in dem der 37-jährige Bürgermeister wohnt. Zwei Stahltüren wurden aufgebrochen und Donskoi trotz Warnung seiner Ärzte, die ihm eine Spritze gegen Bluthochdruck gegebenen hatten, in Unterhose auf die Straße gezerrt. Dort wurde der krankgeschriebene Bürgermeister unter den Augen von Schaulustigen in einen Polizei-Jeep verfrachtet und ins Untersuchungsgefängnis gefahren.


Aleksandr Donskoi vorgeführt im Käfig
arhcity.ruWeil er im Oktober 2006 seine Kandidatur zu den für Frühjahr 2008 geplanten Präsidentschaftswahlen angekündigt hatte, ist Donskoi in Russland inzwischen ziemlich bekannt. Der Kreml reagierte schnell. Bereits am 5. November 2006 wurde gegen den Bürgermeister ein Strafverfahren eröffnet, weil er angeblich sein Hochschulzeugnis gefälscht hatte. Es folgte ein Verfahren wegen unerlaubter Unternehmer-Tätigkeit.Am gestrigen Donnerstag fand sich der kranke Untersuchungshäftling Donskoi in einem weißen Gitterkäfig vor Gericht wieder. Er trug dabei ein gelbes T-Shirt, das für den "Tag der Stadt Archangelsk" wirbt. Vor Gericht wurde ein neues Verfahren eröffnet. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Bürgermeister Amtsmissbrauch vor. Ohne Erlaubnis habe sich Donskoi zwei Jahre lang eine Leibwache mit öffentlichen Geldern bezahlen lassen. Die Stadtkasse sei dadurch mit 115.000 Euro belastet worden. Für den Vorwurf Amtsmissbrauch könnte Donskoi sieben Jahre hinter Gitter kommen.Hinter der überraschenden Verhaftung stehe der Gouverneur des Gebiets Archangelsk, Nikolai Kiseljow, erklärte der Untersuchungshäftling vor Gericht. Donskoi hatte den Gouverneur beschuldigt, er nehme Schmiergeld an. Letzte Woche hatte Donskoi auf seiner Website ein Video veröffentlicht, auf dem eine unbekannte Person einem Mann, der dem Gouverneur ähnlich sieht, Schmiergeld übergibt. Mit der Verhaftung räche sich der Gouverneur für das Video, so der Untersuchungshäftling.Für ungewöhnliche PR-Aktionen bekanntDie Bürger von Archangelsk sind es gewohnt, dass der 2005 gewählte Bürgermeister mit ungewöhnlichen Maßnahmen von sich Reden macht. Um die nordrussische Stadt weltweit bekannt zu machen, ließ Donskoi im Stadtzentrum rund um das Lenin-Denkmal 300 Schneemänner aufstellen. Das erhoffte internationale Echo blieb allerdings aus. Auch bei einer weiteren Maßnahme ging der Schuss nach hinten los. Um Geld für die Stadtreinigung frei zu machen, stellte Donskoi die Finanzierung des bekannten Hockeyteams "Wodnik" ein. Die Straßen von Archangelsk wurden nicht sauberer, dafür wanderte die erfolgreiche Hockeymannschaft nach Moskau ab und spielt jetzt unter der Flagge von "Dynamo Moskau".Wirkliche Chancen auf den Präsidentenposten hatte Donskoi bislang nicht. Doch schon kleine Kandidaten scheinen den Kreml nervös zu machen. Anders ist das martialische Vorgehen kaum zu verstehen.Ende
Info:
Der gesamte Verlauf der Donskoi-Verhaftung mit zahlreichen Fotos kann auf der Internetseite der Stadtverwaltung Archangelsk nachverfolgt werden: www.arhcity.ru
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Ulrich Heyden


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