Russischer Umweltaktivist zu Tode geprügelt
Überfall auf Anti-Atom-Zeltlager / Vermutlich rechtsradikaler Hintergrund
Moskau (n-ost) - Die meisten Umweltaktivisten schliefen noch in ihren Zelten, als am Samstag um fünf Uhr morgens eine Gruppe von 15 maskierten Jugendlichen in Tarnuniformen mit Baseballschlägern, Eisenstangen und Druckluftgewehren in das Zeltlager einfiel. 25 russische Umweltschützer hatten ihr Zeltlager in einem Wald nicht weit von der Atom-Fabrik Angarsk aufgebaut. Der 26-jährige Ilja Borodajenko aus der Stadt Nachodka hatte gerade Nachtwache. Das Mitglied der Gruppe "Autonome Aktion" starb an einer Verletzung der Wirbelsäule. Sieben Umweltaktivisten liegen nach dem Überfall verletzt im Krankenhaus. Einem Jugendlichen mit einem Milzriss geben die Ärzte nur geringe Überlebenschancen.
Der staatliche russische Fernsehkanal RTR berichtete ausführlich über den Überfall. Der Sender verbreitete die Version der Polizei. Danach wollten die Angreifer das Zeltlager ausrauben. Einen politischen Hintergrund habe die Aktion nicht. Die Polizei nahm elf Verdächtige fest. Bei einem fand man einen Rucksack und ein Handy der Umweltschützer.
Die überfallenen Jugendlichen berichteten, die Angreifer hätten Nazi-Parolen gerufen, wie "Antifa - Abschaum". Nach den Parolen und der Kleidung zu urteilen, habe es sich bei den Angreifern um Skinheads gehandelt. Bisher hatte es Überfälle von Rechtsradikalen auf Antifaschisten nur in großen Städten wie St. Petersburg und Moskau gegeben.
Die russische Atombehörde Rosatom drückte den Angehörigen der Jugendlichen ihr "tiefes Beileid" aus. Man sei an der Zusammenarbeit mit nichtstaatlichen Organisationen interessiert, erklärte Rosatom-Sprecher Sergej Nowikow. Nur so könne "die Kontrolle durch die Gesellschaft" gewährleistet werden.
Radioaktive Abfallberge
In einer Erklärung der russischen Umweltschutzorganisation "Ecodefense" wird gefragt, wie die geplante Urananreicherungsanlage geschützt werden soll, "wenn die Sicherheit der Menschen von der Polizei nicht garantiert werden kann."
Nach einem Vorschlag von Wladimir Putin soll das 1954 eröffnete Chemiekombinat von Angarsk, welches den Rohstoff für AKW-Brennstäbe herstellt, für 2,5 Milliarden Dollar zu einer internationalen Urananreichungsanlage ausgebaut werden. Umweltschützer befürchten eine Verseuchung der Region. Angarsk liegt nur 90 Kilometer vom Baikal-See entfernt.
Im Dezember 2006 demonstrierten bereits 250 Umweltschützer gegen die Ausbau-Pläne in der Stadt Irkutsk. Die Proteste richten sich auch gegen die Lieferungen von Uran aus dem westfälischen Gronau. Das abgereicherte Uran stammt aus der Urananreicherungsanlage des deutsch-britisch-holländischen Unternehmens Urenco.
Die russischen Behörden bestreiten, dass es sich bei den Lieferungen aus Deutschland um Atommüll handelt. Doch nach Meinung der russischen Umweltorganisation Ecodefense ist das Uranhexafluorid aus Gronau noch sehr gefährlich. Auch kritisieren die Umweltschützer, dass nur ein sehr kleiner Teil des Atommülls aus Deutschland wieder angereichert werde. "Tausende Kilometer von Gronau entfernt, türmen sich die radioaktiven Abfallberge", erklärte der Sprecher von Ecodefense, Wladimir Slivjak.
Trotz des Überfalls will die auch in Deutschland bekannte Organisation Ecodefense am 26. Juli zusammen mit der Umweltorganisation "Baikal-Welle" ein weiteres Öko-Camp in der Nähe des Chemiekombinats von Angarsk eröffnen.
Ende
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Ulrich Heyden