Minsk will Gas-Schulden zahlen
Lukaschenko gibt im Streit mit Moskau nach und hofft auf Kredite aus Venezuela
Moskau (n-ost) – Am Freitagmorgen, 8 Uhr deutscher Zeit, wollte das russische Unternehmen Gasprom mit Sanktionen gegen Weißrussland beginnen und seine Gaslieferungen in das Nachbarland um 45 Prozent drosseln. Grund sind Schulden Weißrusslands in Höhe von 456 Millionen Dollar. Doch kurz vor Beginn der Sanktionen signalisierte Weißrusslands autoritär regierender Präsident plötzlich einen Kurswechsel und stellte die rasche Zahlung der Schulden in Aussicht.
Geld aus der Staats-Reserve
Man werde das Geld aus einer Staats-Reserve bezahlen, erklärte Lukaschenko. Die Staats-Reserve werde dann mit Krediten von „Freunden Weißrusslands“ wieder aufgefüllt. So habe der Präsident Venezuelas, Hugo Chavez, „einen günstigen Kredit versprochen“, erklärte Lukaschenko.
Chavez war auch im Moskauer Kreml bei Präsident Wladimir Putin schon ein gern gesehener Gast. Moskau will Waffen nach Venezuela liefern. Doch die Freundschaften zwischen Hugo Chavez und den Präsidenten Lukaschenko und Putin scheint sich nicht versöhnend auf das Verhältnis von Russland und Weißrussland auszuwirken. Moskau agiert gegenüber dem „Bruderland“ seit dem vergangenen Jahr nach wirtschaftlichen Kriterien. Mit Sonderpreisen für Gas ist es vorbei. Lukaschenko gebärdet sich aus Moskauer Sicht einfach zu eigenwillig.
„Russland will Weißrussland privatisieren“
Lukaschenko würzte seine überraschende Zahlungsankündigung mit einer heftigen Attacke gegen Moskau. Im Hinblick auf die Privatisierung weißrussischer Staatsbetriebe erklärte der Diktator, „Russland will nicht nur einzelne Betriebe privatisieren, sondern sie ohne Bezahlung rauben.“ Russland wolle „das ganze Land“ privatisieren.
Dem russischen Gasprom-Konzern gehören bereits 12,5 Prozent der Aktien des weißrussischen Pipeline-Unternehmens Beltransgas. Nach einer im Mai unterschriebenen Vereinbarung wird Gasprom innerhalb der nächsten drei Jahre die Hälfte der Beltransgas-Aktien erwerben.
„Nicht auf den Knien“
Lukaschenko bezeichnete die Behandlung des weißrussischen Ministerpräsidenten Sergej Sidorski, der Anfang der Woche mit der Bitte um die Gewährung eines Kredites von 1,5 Milliarden Dollar nach Moskau gefahren war, als „Erniedrigung“. In Zukunft würde es keine Reisen hoher Staatsbeamter mehr nach Moskau geben. Er werde nicht nach Moskau fahren, und sich dort „auf die Knie werfen“, erklärte Lukaschenko.
Anfang der Woche hatte die Regierung in Minsk noch behauptet, es sei gegenüber Russland zahlungsunfähig. Die erhöhten Preise für russisches Gas und Öl machen Weißrussland schwer zu schaffen. Minsk hatte sich auch bei westlichen Banken um Kredite bemüht.
Angst vor dem Abzapfen
Theoretisch sind von einem Streit zwischen Russland und Weißrussland immer auch die Verbraucher in Europa bedroht, denn ein Teil der russischen Transit-Pipelines für Öl und Gas verläuft über das Territorium von Weißrussland. Ein Gasprom-Sprecher hatte erklärte, man gehe davon aus, „dass Weißrussland alle seine Verpflichtung erfüllt“, die es für die Transitbeförderung von russischem Gas nach Europa „übernommen hat“. Offenbar fürchtet Moskau, dass Minsk im Streit um die Schulden Gas abzapft. Im Januar hatte Weißrussland wegen einem Streit über die von Russland neu eingeführten Zölle für russisches Öl, die Druschba-Transitpipeline angezapft. In dramatischen Verhandlungen hatten sich Gasprom und der weißrussische Beltransgas-Konzern wenige Stunden vor Beginn des Jahres 2007 auf einen Preis von 100 Dollar pro 1.000 Kubikmeter geeinigt. Bis dahin zahlte Weißrussland mit 46 Dollar den niedrigsten Gaspreis aller ehemaligen Sowjetrepubliken. Mit 100 Dollar zahlt Weißrussland immer noch 50 Prozent weniger als beispielsweise Estland.
Lukaschenko kritisiert Ostsee-Pipeline
Weil Moskau gegenüber Minsk keine wirtschaftliche Bevorzugung von Weißrussland mehr zulassen will, kommt es zwischen den „Bruderstaaten“ immer häufiger zu Konflikten. Lukaschenko kritisierte sogar Bau der geplanten Pipeline „Nord Stream“, die am Boden der Ostsee, um Weißrussland herum geführt werden soll. Bisher war die Pipeline nur von Polen und den baltischen Staaten kritisiert worden.
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Ulrich Heyden