Eine Warnung an die USA
Duma kündigt KSE-VertragDer 90. Jahrestag der Oktoberrevolution stand in Russland ganz im Zeichen nationaler Machtdemonstrationen. Auf dem Roten Platz marschierten Soldaten, ein Teil von ihnen in historischen Weltkriegs-Uniformen. Der Aufmarsch sollte an die Parade vom 7. November 1941 erinnern. Damals waren die Truppen direkt vom Roten Platz zur Front gezogen, um den deutschen Angriff auf Moskau abzuwehren. Ein hartes Signal kam danach aus dem Unterhaus des russischen Parlaments, der Staatsduma. Einstimmig beschlossen die Abgeordneten, den Vertrag über die Begrenzung der konventionellen Streitkräfte in Europa (KSE-Vertrag) zum 12. Dezember zu kündigen. Die Kündigung muss noch vom Föderationsrat und Putin selbst abgesegnet werden. Ob dieser Schritt am 12. Dezember dann tatsächlich vollzogen wird, ist allerdings offen, denn seit Wochen wird zwischen Russland und Washington über dieses Thema verhandelt, zuletzt bei einem Treffen in Berlin. Dabei geht es, wie der russische Außenminister Sergej Lawrow vor dem russischen Föderationsrat erklärte, nicht nur um den KSE-Vertrag, sondern auch um das Kosovo, Iran sowie die von den USA geplante Raketenabwehr in Polen und Tschechien, die Russland als Bedrohung seiner Sicherheit ansieht.
Die Moskauer Zeitungen "Kommersant" und "Nowije Iswestija" vermuteten, dass es bei den Verhandlungen zwischen Russland und den USA um eine "Paketlösung" gehe. Wie dieser "große Handel" aussehen könne, darüber machten die Journalisten jedoch keine Angaben. Europäische Sicherheit gefährdetDer KSE-Vertrag war im November 1990, ein Jahr vor der Auflösung der Sowjetunion, von 16 Mitgliedsländern der Nato und sechs Staaten des damaligen Warschauer Paktes unterzeichnet worden. Er gilt bis heute als wichtiger Eckpfeiler der europäischen Sicherheitsarchitektur. Der Vertrag setzt Grenzen für die Stationierung von Panzern, Artillerie und Kampfflugzeugen fest. Nach dem Zerfall des Warschauer Paktes wurde er im November 1999 modifiziert, territoriale und nationale Truppenobergrenzen wurden festgelegt.Die russische Drohung, den KSE-Vertrag zu kündigen, hat die US-Amerikaner offenbar nicht kalt gelassen. Der Vertreter des US-Außenministeriums, Daniel Fried, stellte eine Beschleunigung der Ratifizierung des Vertrags durch die Nato-Staaten in Aussicht. Die USA blieben jedoch bei ihren Forderungen nach dem Abzug russischer Truppen aus Georgien und Moldawien. Die Nato-Staaten hatten dies zur Bedingung für die Ratifizierung der 1999 modifizierten Vertragsprotokolle gemacht. Die russische Regierung hingegen ist der Meinung, diese Forderung sei nicht durch den KSE-Vertrag gedeckt. Dem haben sich bisher lediglich Kasachstan, Weißrussland und die Ukraine angeschlossen und den Vertrag ratifiziert. In Moldawien sind momentan 500 russische Soldaten zur Bewachung von Munition stationiert. In Georgien hat der Abzug der russischen Truppen vor mehr als einem Jahr begonnen, ist aber bis heute nicht abgeschlossen.Der Kreml sieht sich bereits seit einiger Zeit durch die geplante Raketenabwehr und die Nato-Ost-Ausdehnung bedroht und steigerte in den vergangenen Monaten den Druck auf den Westen. Bereits im April hatte Präsident Wladimir Putin den Austritt aus dem KSE-Vertrag angekündigt. Im Juli setzte er die Gültigkeit des Vertrages für die russische Seite aus. Vor einem Monat, bei einem Treffen mit Pentagon-Chef Robert Gates und Außenministerin Condoleezza Rice, kündigte der Kreml-Chef schließlich an, man werde den vor 20 Jahren mit den USA abgeschlossenen Vertrag über die Begrenzung von Kurz- und Mittelstreckenraketen gegebenenfalls kündigen. "Wir sind verhandlungsbereit"Aleksander Kosatschow, Leiter des Auswärtigen Ausschusses der Duma, erklärte, die Abstimmung der Duma sei eine "erzwungene Entscheidung". Damit reagiere Russland auf die nicht erfolgte Ratifizierung des Vertrages durch "unsere Partner". "Unsere Entscheidung hat keinen aggressiven oder destruktiven Charakter", so Kosatschow. Ziel sei es nicht, das Abkommen zu zerstören, sondern im Gegenteil, es zu erhalten. "Wir sind bereit zu einem erneuerten Vertrag, wenn die Mitglieder der Nato und vor allem die USA bereit sind, ihn auch zu ratifizieren." Generalstabschef Juri Balujweski kritisierte die "Flankenbeschränkungen" des KSE-Vertrages. An der russischen Südgrenze gäbe es bereits jetzt eine Übermacht an Panzern und Artillerie von Seiten der Nato. Diese Flankenbeschränkungen seien für Russland "diskriminierend" und müssten abgeschafft werden. ENDE