Russland

Ansprüche auf den Nordpol

Das Abschmelzen des Eises legt riesige Rohstofflager frei / Russland fordert Nutzungsrechte für den größten Teil der Arktis.Als am 2. August russische Forscher mit Hilfe des Mini-Tauchboots "Mir-1" eine russische Staatsflagge aus Titan über 4000 Meter tief unter dem Eis des Nordpols in den Meeresboden rammten, standen die russischen Medien Kopf. "Wir haben gezeigt, dass die Arktis unsere ist", titelte das Massenblatt "Moskowskij Komsomolez" im patriotischen Überschwang. Andere Nordpol-Anrainer reagierten dagegen sauer. Der kanadische Außenminister Peter MacKay polterte angesichts des russischen Husaren-Stücks: "Wir befinden uns nicht im 15. Jahrhundert!" Man könne "nicht einfach um die Welt reisen, eine Flagge hissen und sagen: ´Wir beanspruchen das Gebiet´". Der russische Außenminister Sergej Lawrow konterte: "Ich bin sehr verwundert, Entdecker haben immer Fahnen aufgestellt." Ziel der Expedition sei es - so Lawrow - wissenschaftliche Beweise dafür zu sammeln, dass der unterseeische Lomonossow-Rücken am Nordpol mit dem russischen Festland verbunden ist und ein großer Teil der Arktis damit zu Russland gehört. Die Frage der Nutzungsrechte müsse auf Grundlage des internationalen Rechts neu geregelt werden.Seit das Eis in der Arktis in beängstigender Geschwindigkeit schmilzt, werden die Stimmen, die Ansprüche auf das nördlichste Territorium der Erdkugel anmelden, immer lauter. Das Abschmelzen der Eisdecke könnte die Hebung der Bodenschätze erleichtern und die Schifffahrt in der Arktis beleben. Ansprüche werden inzwischen von allen Nordpol-Anrainern gestellt. Das sind neben Russland, die USA, Norwegen, Kanada und Dänemark. Die Dänen,  die die autonome Region Grönland außenpolitisch vertreten, versuchen ihrerseits zu beweisen, dass der Lomonossow-Rücken mit Grönland verbunden ist.Bis zum Jahresende, wollen nun die Russen ihre Beweise präsentieren. Dies erklärte der russische Minister für Naturressourcen, Juri Trutnjew, in einem Radio-Interview. Russland beansprucht den größten Teil der Arktis: ein Dreieck, das von Murmansk im Westen, über Tschukotka im Fernen Osten bis zum Nordpol reicht. Insgesamt eine gigantische Fläche von 1,2 Millionen Quadratkilometer - fast viermal größer als die Bundesrepublik Deutschland.  Bereits unmittelbar nach der Rückkehr eines Teils der russischen Nordpol-Expedition, Anfang August, erklärte der russischen Ozeanologe Viktor Posjolow, man werde Unterwasseraufnahmen zeigen, die beweisen, dass der Lomonossow-Rücken mehrere Hundert Millionen Jahre alt ist. "Der Unterwasser-Rücken ist nicht isoliert, sondern mit dem russischen Festland verbunden."Nach russischen Schätzungen lagern in der Arktis 100 Milliarden Tonnen Kohlenwasserstoffe, insbesondere Öl und Gas. Das sei etwa doppelt soviel wie die russischen Vorräte an Kohlenwasserstoffen auf dem Festland. Die Technologie für Bohrungen und Pipelines am Nordpol müsste allerdings erst entwickelt werden. Bisher gelangen nur Bohrungen in der 400 Meter dicken Tiefseeschlammschicht, die über dem eigentlichen Meeresboden liegt.Von einigen deutschen Forschern wird allerdings bezweifelt, dass es direkt am Nordpol Öl- und Gaslagerstätten gibt. Die deutschen Wissenschaftler vermuten derartige Lagerstätten eher in den Randgebieten des Arktischen Ozeans, etwa im ostsibirischen Kontinentalschelf.Nach internationalem Recht gehört der Nordpol niemandem. Die Nordpol-Anrainer haben nur Anspruch auf eine 370 Kilometer breite Wirtschaftszone vor den Küsten des jeweiligen Landes. Wenn jedoch einer der Anrainer nachweisen kann, dass einer der unterseeischen Rücken am Nordpol mit dem eigenen Festland verbunden ist, und dies durch Gesteinsuntersuchungen belegen kann, kann bei der UNO-Kommission, welche die Grenzen des Kontinentalschelfs festlegt, ein Antrag auf die Erweiterung der Nutzungszone gestellt werden. Russland machte 2001 den Anfang. Zur Prüfung des Antrags forderte die Kommission jedoch weitere Daten an. Dazu hat Russland bis 2009 Zeit.Die internationale Gemeinschaft sei in Bezug auf den Nordpol zurzeit in einer  "Sensibilisierungsphase" erklärte Außenminister Frank-Walter Steinmeier. Am Nordpol werde bereits "die Klimaveränderung und der Kampf um natürliche Ressourcen" sichtbar. Er hoffe, es gäbe einen "Ehrgeiz", an einer Regulierung mitzuwirken, "die internationalen Streit vermeidet." Von 2007 bis 2009 läuft ein Internationales Polarjahr. Das größte Polarforschungsprogramm seit 50 Jahren, an dem Wissenschaftler aus 60 Ländern beteiligt sind, soll Zustand und Zukunft der Polarregion erkunden. Vielleicht trägt dies dann zu einer gütlichen Beilegung der Interessenkonflikte am Nordpol bei. ENDE


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