Russland

Kandidaten-Kür zur Präsidentschaftswahl

Dmitri Medwedjew wahrscheinlich nur mit zwei Gegenkandidaten bei der russischen Präsidentschaftswahl im MärzIn diesen Tagen prüft die Zentrale Wahlkommission die Zulassung der Kandidaten für die Präsidentschaftswahl am 2. März. Bis zum 27. Januar soll das Ergebnis feststehen. Fünf Kandidaten haben ihre Anträge eingereicht, aber wahrscheinlich werden nur drei registriert: Putins Kronprinz Dmitri Medwedjew, Kommunisten-Chef Gennadij Sjuganow und der Ultranationalist Wladimir Schirinowski.Medwedjew tauchte im letzten Jahr ständig im staatlichen Fernsehen auf, mal bei der Einweihung eines Neubaus, mal auf einem landwirtschaftlichen Betrieb, mal zu Besuch bei einer Familie, die ihr drittes Kind bekommen hatte. Nach einer Meinungsumfrage des unabhängigen Lewada-Meinungsforschungsinstituts würden 79 Prozent der Wähler Medwedjew ihre Stimme geben. Das größte Qualitätsmerkmal des artig wirkenden Professoren-Sohns aus St. Petersburg ist der Umfrage nach "die Nähe" zum Präsidenten.  Wladimir Putin selbst kann nicht noch einmal kandidieren. Er will Ministerpräsident werden.Die Wahl Medwedjews zum neuen Präsidenten gilt auch deshalb als ausgemachte Sache, weil hinter ihm zwei Kreml-nahe Parteien - Einiges Russland und Gerechtes Russland - stehen, die bei der Duma-Wahl Anfang Dezember mehr als 70 Prozent der Stimmen bekamen. Kandidaten für die Präsidentschaftswahl, die von einer Partei aufgestellt werden, brauchen keine Unterschriften zu sammeln. Das gilt neben Medwedjew auch für den Vorsitzenden der Kommunistischen Partei, Gennadij Sjuganow, und den Ultranationalisten Wladimir Schirinowski, der die Liberaldemokraten führt. Ex-Ministerpräsident Michail Kasjanow, der in den letzten beiden Jahren in der Opposition aktiv war und Andrej Bogdanow, der Vorsitzende der fast unbekannten Demokratischen Partei, mussten hingegen fleißig Unterschriften sammeln. Sie erklärten, sie hätten die erforderliche Zahl von zwei Millionen zusammen. Zurzeit prüft die Wahlkommission die Listen stichprobenartig. Die Regeln dabei sind streng. Wenn mehr als fünf Prozent der Unterschriften den Prüfungen nicht standhalten, scheidet der Kandidat aus - eine Variante, die in beiden Fällen wahrscheinlich ist.  Ex-Schachweltmeister Garri Kasparow wurde die Teilnahme an den Wahlen bereits zuvor auf bürokratischem Wege versperrt. Kasparow fand in Moskau keinen Saal für eine Unterstützer-Versammlung. Auch der Schriftsteller und Sowjet-Dissident Wladimir Bukowski wird nicht kandidieren. Bukowski besitzt zwar die russische Staatsbürgerschaft wie erforderlich, die Wahlkommission monierte jedoch, dass er in England lebt.  Der Kronprinz
Der 42-jährige Jurist Dmitri Medwedjew gehört zu den engsten Vertrauten Wladimir Putins. Der Kandidat arbeitete schon Anfang der 90er Jahre in der Stadtverwaltung von St. Petersburg mit Putin zusammen. Seit 2002 ist Medwedjew Vorsitzender des Gasprom-Aufsichtsrats, seit 2003 Leiter der Präsidialverwaltung und seit 2005 Vizeministerpräsident. Er gilt als Liberaler und wird den Kurs Putins im Wesentlichen fortsetzen. Der Kreml-Chef hat erklärt, Medwedjew werde den Wahlkampf vor allem mit sozialen Themen führen. Der Kandidat versprach bereits die Erhöhung der "unzulässig niedrigen Renten". Am kommenden Dienstag will Medwedjew auf dem russischen "Bürger-Forum" sein Wahlprogramm vorstellen. Nach der Lewada-Wahlumfrage kann er mit 79 Prozent der Stimmen rechnen.
 
Der Patriot
Gennadi Sjuganow gründete 1990 die Kommunistische Partei der Russischen Föderation, deren Vorsitzender er bis heute ist. Der 63-Jährige erhielt bei der Präsidentschaftswahl 2000 29 Prozent der Stimmen. Sjuganow studierte Physik und wurde Lehrer. Seit 1972 arbeitet er im Parteiapparat. Sjuganow brachte die Partei auf einen patriotischen Kurs: Man verehrt Stalin und kämpft gegen die Nato-Osterweiterung. Russland habe sein "Soll an Revolutionen erfüllt", meint der KP-Chef. Jetzt ginge es vor allem um Sozialpolitik. Neben älteren Menschen werden nach Meinung von Beobachtern bei den kommenden Wahlen auch Nicht-Kommunisten für Sjuganow stimmen. Denn die KP ist die einzige ernst zu nehmende Oppositionspartei im Putin-Land. Laut der Wahlumfrage erhält die KP etwa neun Prozent der Stimmen.Der Nationalist
Wladimir Schirinowski liebt die Provokation. Mit lockeren Sprüchen gegen Demokraten und Kommunisten hat er einen festen Wählerstamm um sich gescharrt. Der 61-Jährige will ein Großrussland unter Einschluss der Ukraine gründen. Er gebärdet sich als Oppositioneller, doch die Gründung seiner Liberaldemokratischen Partei wurde 1989 vom KGB eingefädelt. Die Duma brandmarkt Polit-Clown Schirinowski als langweilig "grau". Den Kreml-Kandidaten Medwedjew bezeichnet er als "Invaliden", "angebunden wie ein Hündchen". Im Grunde seien alle Russen unzufrieden. Das zeige die hohe Selbstmordrate im Land. Bald, prophezeit Schirinowski, werde es Demonstrationen und einen Machtwechsel geben wie 1989. Laut Wahlumfrage erhält seine Partei ebenfalls neun Prozent der Stimmen.Der Westler
Michail Kasjanow war unter Jelzin Finanzminister. Er galt als Mann der Oligarchen. Heute kämpft er als westlich orientierter Liberaler in der Opposition. Unter Putin stieg der heute 50-Jährige zum Ministerpräsidenten auf, verließ aber 2004 die Regierung, weil er mit der Verhaftung des Yukos-Chefs Michail Chodorkowski nicht einverstanden war. Seit 2005 ist Kasjanow in der Opposition aktiv. Er hat jedoch kaum Chancen, die Wahl zu gewinnen, denn er gilt als ein Vertreter der  chaotischen Wirtschaftspolitik unter Jelzin, die viele Russen in die Armut stürzte. Kasjanow erhält lauf Umfrage nur zwei Prozent der Stimmen.Das Aushängeschild
Andrej Bogdanow ist seit 1990 Mitglied der fast unbekannten Demokratischen Partei Russlands und inzwischen ihr Vorsitzender. Zwischenzeitlich unterstützte der 37-Jährige Sergej Mawrodi, den Gründer der Finanzpyramide MMM, der in den 90ern Anleger betrogen hatten. Außerdem arbeitete Bogdanow bis 2003 in der Werbe-Abteilung der Kreml-Partei "Einiges Russland". Nach Meinung von Beobachtern dient Bogdanow dem Kreml als Aushängeschild für demokratische Wahlen.
Wahlumfrage: Seine Stimmen schätzt die Wahlumfrage auf weniger als ein Prozent.ENDENachdruck und Weiterverwertung dieses Artikels sind kostenpflichtig. Informationen im n-ost-Büro unter (030) 30 83 11 87


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