Russland

DER KRONPRINZ UND EIN PAAR LAHME ENTEN

Dmitri Medwedjew wird vor der Präsidentschaftswahl am 2. März vor allem vom Staatsfernsehen unterstützt Die Kandidaten für die russischen Präsidentschaftswahlen stehen so gut wie fest. Letzte Woche registrierte die Zentrale Wahlkommission Kommunisten-Chef Gennadij Sjuganow und den Ultranationalisten Wladimir Schirinowski. Am Montag bekam Putins Kronprinz, Dmitri Medwedjew, den Kandidaten-Ausweis. Am Dienstag schließlich registrierte die Wahlkommission Andrej Bogdanow, den Vorsitzenden der fast unbekannten Demokratischen Partei. Ob der fünfte Kandidat, Ex-Premier Michail Kasjanow, registriert wird, ist noch unsicher. Bei der stichprobenartigen Prüfung der Unterstützer-Unterschriften stellte sich angeblich heraus, dass 16 Prozent der Unterschriften gefälscht waren. Nun werden die Unterschriften für Kasjanow, der in den letzten zwei Jahren auf scharfen Oppositionskurs zum Kreml ging, erneut geprüft. Wie eine Vertreterin der Staatsanwaltschaft erklärte, wird wegen der Fälschungen ein Strafverfahren eingeleitet. Nachdem Ex-Schachweltmeister Garri Kasparow seine Absicht zu kandidieren zurückgezogen hatte, war Michail Kasjanow der einzige Kandidat aus dem liberalen Lager, der die schwierige Prozedur zur Registrierung der Kandidaten auf sich genommen hatte.Zwei Millionen UnterschriftenDie Kandidaten, die von den großen Parteien aufgestellt worden waren (Medwedjew, Sjuganow und Schirinowski), mussten keine Unterschriften sammeln. Der Vorsitzende der kaum bekannten Demokratischen Partei, Andrej Bogdanow und Ex-Premier Kasjanow mussten jedoch zwei Millionen Unterschriften zusammentragen. Dafür engagierten sie bezahlte Helfer. Beobachter waren erstaunt, dass Bogdanow das Ziel erreichte, obwohl seine Partei bei den Parlamentswahlen im Dezember nur mit Mühe 90.000 Stimmen erhalten hatte. In einer Grundsatzrede, die Medwedjew gestern vor dem Russischen Bürgerforum hielt, betonte der Kronprinz, es gehe jetzt darum das "menschliche Kapital" und "kreative Potential" in Russland zu fördern.  Der Staat müsse "dem Bürger dienen" und die Rentner müssten ein würdiges Leben führen können. Der Korruption sagte Medwedjew auf allen Ebenen einen entschiedenen Kampf an. Putin, das Fernsehen und die KircheMedwedjew leitete im vergangenen Jahr die Umsetzung der staatlichen Förderprogramme für den Wohnungsbau, die Landwirtschaft und die Gesundheitsversorgung. Nach einer Meinungsumfrage des unabhängigen Lewada-Meinungsforschungsinstituts würden, "wenn nächsten Sonntag Wahlen wären", 79 Prozent der Befragten Putins Kronprinzen ihre Stimme geben. Das größte Qualitätsmerkmal des artig wirkenden Professoren-Sohns aus St. Petersburg ist der Meinungsumfrage zufolge "die Nähe" zum Präsidenten.  Putin kann nicht noch einmal kandidieren. Der Kreml-Chef erklärte, er wolle Ministerpräsident werden. Die meisten Beobachter halten diese Erklärung für glaubwürdig. Der Politologe Stanislaw Belkowski hält Putins Pläne aber für einen "Blöff". Putin werde niemals die enorme Arbeitslast eines Premiers auf sich nehmen. Mit seiner Ankündigung habe der Kreml-Chef seinem Kronprinzen nur den Start im Wahlkampf erleichtern wollen. Der Kampf der Kreml-Clans um die Macht gehe weiter.Dass Medwedjew gewählt wird, daran besteht jedoch kein Zweifel. Hinter ihm stehen nicht nur Putin sondern auch zwei Kreml-nahe Parteien - "Einiges Russland" und "Gerechtes Russland" -, die bei den Duma-Wahlen über 70 Prozent der Stimmen bekamen. Außerdem unterstützt ihn das staatliche Fernsehen, welches ausführlich über Medwedjews Auftritte berichtet, sowie der Patriarch der russisch-orthodoxen Kirche, Alexej II., der Medwedjew mit blumigen Wort preist. Informationen zu den Kandidaten:Der Kronprinz
Der 42-jährige Jurist Dmitri Medwedjew arbeitete schon Anfang der 90er Jahre in der Stadtverwaltung von St. Petersburg mit Putin zusammen. Seit 2002 ist Medwedjew Vorsitzender des Gasprom-Aufsichtsrats, seit 2003 Leiter der Präsidialverwaltung und seit 2005 Vizeministerpräsident. Er gilt als Liberaler und wird nach Meinung von Beobachtern den Kurs von Putin im Wesentlichen fortsetzen. Der Kreml-Chef hat erklärt, Medwedjew werde den Wahlkampf vor allem mit sozialen Themen führen. Der Kandidat versprach bereits die Erhöhung der "unzulässig niedrigen Renten". Bei einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Lewada, "wem würden Sie am nächsten Sonntag ihre Stimme geben", erreichte Medwedjew 79 Prozent.
 
Der Sozial-Patriot
Gennadi Sjuganow gründete 1990 die Kommunistische Partei der Russischen Föderation, deren Vorsitzender er bis heute ist. Der 63-Jährige erhielt bei der Präsidentschaftswahl 2000 29 Prozent der Stimmen. Sjuganow studierte Physik und wurde Lehrer. Seit 1972 arbeitet er im Parteiapparat. Sjuganow brachte die Partei auf einen patriotischen Kurs: Man verehrt Stalin und kämpft gegen die Nato-Osterweiterung. Russland habe sein "Soll an Revolutionen erfüllt", meint der KP-Chef. Jetzt ginge es vor allem um Sozialpolitik. Neben älteren Menschen werden nach Meinung von Beobachtern bei den kommenden Wahlen auch Nicht-Kommunisten für Sjuganow stimmen. Denn die KP ist die einzige ernst zu nehmende Oppositionspartei im Putin-Land. Laut der Wahlumfrage erhält Sjuganow etwa neun Prozent der Stimmen.Der Nationalist
Wladimir Schirinowski liebt die Provokation. Mit frechen Sprüchen gegen Demokraten und Kommunisten hat er einen festen Wählerstamm um sich gescharrt. Der 61-Jährige will ein Großrussland unter Einschluss der Ukraine gründen. Er gebärdet sich als Oppositioneller, doch die Gründung seiner Liberaldemokratischen Partei wurde 1989 vom KGB eingefädelt. Die Duma brandmarkt Polit-Clown Schirinowski als langweilig "grau". Den Kreml-Kandidaten Medwedjew bezeichnet er als "Invaliden", "angebunden wie ein Hündchen". Im Grunde seien alle Russen unzufrieden. Das zeige die hohe Selbstmordrate im Land. Bald, prophezeit Schirinowski, werde es Demonstrationen und einen Machtwechsel geben wie 1989. Laut Wahlumfrage erhält er ebenfalls neun Prozent der Stimmen.Der Westler
Michail Kasjanow war unter Jelzin Finanzminister. Unter Putin stieg der 50-Jährige zum Regierungschef auf, verließ aber 2004 die Regierung, weil er mit der Verhaftung des Yukos-Chefs Michail Chodorkowski nicht einverstanden war. Für die Staatsmedien ist Kasjanow der Mann der Oligarchen. Seit zwei Jahren ist der Ex-Premier in der russischen Opposition aktiv. In der Öffentlichkeit ist sein Ruf durch Korruptions-Skandale und die chaotische Wirtschaftspolitik unter Jelzin, die viele Russen in die Armut stürzte, beschädigt. Kasjanow erhält lauf Umfrage nur zwei Prozent der Stimmen.Das Aushängeschild
Andrej Bogdanow ist seit 1990 Mitglied der fast unbekannten Demokratischen Partei (DP) und inzwischen ihr Vorsitzender. Bogdanow ist nebenberuflich Lehrer für Balltänze und tanzt auch politisch auf verschiedenen Hochzeiten. Die DP tritt für einen Beitritt Russlands zur EU ein. 1991 schlug das Herz des DP-Gründers Bogdanow noch für die Sowjetunion. Der Kandidat beteiligte sich 1991 an Demonstrationen gegen die Auflösung des Riesenreiches. Von 2002 bis 2003 leitete Bogdanow die Presse-Abteilung der Kreml-Partei "Einiges Russland". Auch die Demokratische Partei wurde unter dem Wohlwollen des KGB gegründet. Die Partei ist Teil der "gelenkten Demokratie". Bogdanows Stimmanteil schätzt die Wahlumfrage auf weniger als ein Prozent.ENDENachdruck und Weiterverwertung dieses Artikels sind kostenpflichtig. Informationen im n-ost-Büro unter (030) 30 83 11 87


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