Moskau gegen Unabhängigkeit des Kosovo
Moskau hat bis zuletzt versucht, die Unabhängigkeitserklärung des Kosovo abzuwenden. Wie die Moskauer Zeitung "Kommersant" am Montag unter Berufung auf Informanten "im Umkreis des Kreml" berichtete, schickte Russlands Präsident Wladimir Putin am Wochenende "emotionale Botschaften" an die Vertreter westlicher Staaten, in denen er gegen die Unabhängigkeit des Kosovo argumentierte. Die mehrheitlich von Kosovo-Albanern bewohnte Provinz hatte am Sonntag ihre Loslösung von Serbien proklamiert.Die Bilder von den Unabhängigkeitsfeiern aus Prishtina unterlegten die staatlichen russischen Fernsehkanäle mit einem bösen Unterton. Das Fernsehen berichtete danach auch über Unruhen in Belgrad und in anderen Städten Serbiens. Außerdem wurden die Zuschauer daran erinnert, dass die Nato 1998 "auf der Seite der Aufständischen" in den bewaffneten Konflikt eingegriffen habe. Viele Russen fürchten, dass die Unabhängigkeit des Kosovo einen Präzendensfall schaffen könnte und Separatisten in Russland ermutigt.Annullierung der Unabhängigkeitserklärung gefordertDas offizielle Moskau hat, wie zu erwarten war, die Unabhängigkeitserklärung des Kosovo scharf kritisiert. In einer am Sonntag veröffentlichten Erklärung des russischen Außenministeriums heißt es, die Erklärung "der Selbstverwaltungsorgane des Kosovo" "verletzen die Souveränität der Republik Serbien, das Statut der UNO und die Resolution 1244." Die UNO-Mission und die Streitkräfte der Nato im Kosovo müssten "die Entscheidung der Selbstverwaltungsorgane von Prishtina annullieren" und die Verantwortlichen bestrafen. Die Unabhängigkeitserklärung führe "zu neuen Konflikten auf dem Balkan." "Wer darüber nachdenkt, den Separatismus zu unterstützen", solle sich über "die gefährlichen Konsequenzen" für "die internationale Stabilität im Klaren sein". Eine klare Warnung an Staaten wie die USA oder Deutschland, die die rasche Anerkennung des Kosovo angekündigt haben. UNO soll weiterhin die Verantwortung tragenRussland klammert sich jetzt vor allem an den UNO-Generalsekretär, der sich bisher zur Unabhängigkeit des Kosovo nicht eindeutig geäußert hat. Im russischen Fernsehen erklärte Russlands UNO-Vertreter Vitali Tschurkin, "wir haben alle gehört, wie der Generalsekretär der UNO bestätigte, dass die Resolution 1244 in Kraft bleibt. Nach seinen Worten hat die Mission der UNO im Kosovo nach wie vor die volle Verantwortung über das Kosovo." Russlands neuer Vertreter bei der Nato in Brüssel, Dmitri Rogosin, forderte von den Nato-Streitkräften im Kosovo ein "unparteiisches Verhalten" und ein Handeln "im Rahmen des UN-Mandats".Kritik an dem Weg in die Unabhängigkeit gibt es nicht nur vom offiziellen Moskau. Die russische Menschenrechtsorganisation Memorial, eine von sowjetischen Dissidenten Ende der 80er Jahre gegründete Bürgerrechtsorganisation, hatte schon vor Wochen vor einer Unabhängigkeitserklärung gewarnt, da dies zu neuen Spannungen und Blutvergießen führen werde. Memorial verwies dabei auf Erfahrungen aus Tschetschenien, Nagorni-Karabach und anderen Gebieten, in denen nach dem Zerfall der Sowjetunion Bürgerkriege ausgebrochen waren. Abchasien und Süd-Ossetien als DruckmittelAm Freitag traf sich der russische Außenminister Sergej Lawrow in Moskau demonstrativ mit den Führern der nach Unabhängigkeit strebenden georgischen Provinzen, Abchasien und Süd-Ossetien. Putin hatte jedoch auf seiner großen Pressekonferenz letzte Woche im Kreml erklärt, man solle nicht damit rechnen, dass nach der Unabhängigkeitserklärung des Kosovo Russland automatisch Regionen auf dem Territorium der ehemaligen Sowjetunion als unabhängige Staaten anerkennt. Bisher hält Moskau diese Möglichkeit allerdings als Druckmittel gegenüber dem Westen in der Hinterhand. Noch hofft man, dass das Kosovo von möglichst wenigen Staaten anerkannt wird und die Unabhängigkeitserklärung von Prishtina dadurch an Gewicht verliert.ENDENachdruck und Weiterverwertung dieses Artikels sind kostenpflichtig. Informationen im n-ost-Büro unter (030) 30 83 11 87