POMPÖSER AMTSWECHSEL IM KREML
Putin geht, Medwedew kommt(n-ost) – In Russland gibt es in diesen Tagen eine historische Ämterrochade: Heute (Mittwoch) Mittag beginnt die Amtszeit des am 2. März mit 70 Prozent der Stimmen gewählten Dmitrij Medwedew als russischer Präsident. Sein Vorgänger Wladimir Putin wechselt nur einen Tag später auf den eigentlich nachgeordneten Posten des Ministerpräsidenten.Die pompöse Feier zur Amtsübergabe beginnt heute um 9:40 deutscher Zeit im Kreml. Die Veranstaltung dauert eine Stunde. Sie wird von drei russischen Fernsehkanälen live übertragen. 2.500 geladene Gäste werden erwartet, unter ihnen Minister, Abgeordnete der beiden Parlamentskammer, Vertreter der Kirchen, Vertreter der Geschäftswelt, Kulturschaffende, Sportler und ausländische Botschafter.Putin wird mit einem Mercedes vorgefahren. Er betritt den Kreml durch einen Nebeneingang. Dann durchschreitet er feierlich drei Säle - den Georgijewski-, den Aleksandrowski- und den Andreewski-Saal - wo sich die Gäste versammelt haben. Im Andrejew-Saal warten zu diesem Zeitpunkt der Vorsitzende des Verfassungsgerichts, Waleri Sorkin – der die Vereidigung des neuen Präsidenten leitet - und die Vorsitzenden der beiden Parlamentskammern, Sergej Mironow und Boris Gryslow. Der neue Präsident Dmitrij Medwedew betritt den Kreml durch den Haupteingang. Zu der Musik eines Tschajkowski-Marsches durchschreitet er ebenfalls die drei Säle. Nachdem der neue Präsident seinen Eid auf die Verfassung abgelegt hat, erklingt die Nationalhymne, deren Melodie mit der Hymne der Sowjetunion identisch ist. Nach den Reden von Putin und Medwedew donnern hinter der Kreml-Mauer 30 Salutschüsse. Dann werden der alte und der neue Präsident eine Parade der präsidialen Leibwache - inklusive Reitern zu Pferde - abnehmen.Der Stabwechsel im Kreml geschieht zwischen zwei alten Freunden. Medwedew und Putin kennen sich seit Anfang der 90er Jahre aus der Arbeit in der Stadtverwaltung in St. Petersburg. Der 42-jährige Jurist Medwedew war in der Vergangenheit durch liberale Bekenntnisse aufgefallen. Putin hatte den Westen aber schon vor übertriebenen Hoffnungen auf eine liberale Wende in Russland gewarnt. Beim Besuch von Angela Merkel, Anfang März, in Moskau erklärte Putin, der Westen werde es mit Medwedew „nicht leichter“ haben. Auch der neue Präsident sei im guten Sinne des Wortes ein „russischer Nationalist“.Russland ist bisher einen Führer gewohnt. Sobald es mehrere Machtzentren gab, kam es häufig zu erbitterten Fehden zwischen den Clans, bis hin zum Blutvergießen. Medwedew und Putin demonstrierten in der Öffentlichkeit bisher Einigkeit. Ihre politischen Programme unterscheiden sich nur in Nuancen. Medwedew gilt als Liberaler mit patriotischem Background, Putin als autoritärer Herrscher, für den die Öffnung Russlands zum Westen aber immer als wichtiges Ziel galt.Mehrere Ereignisse in den vergangenen Monaten hatten aber Spekulationen angeheizt, dass es im Zuge des Machtwechsels im Kreml zu Machtkämpfen kommen könnte. Zwischen der Generalstaatsanwaltschaft und dem von Putin letztes Jahr neu geschaffenen Ermittlungskomitee gibt es heftige Spannungen. Im Oktober 2007 kam es bei der Festnahme eines Generals der Drogenfahndung durch Mitglieder des Inlandgeheimdienstes FSB fast zu einer Schießerei. Seit November sitzt der Vize-Finanzminister Sergej Stortschak wegen Veruntreuung von 43 Millionen Dollar in Haft, obwohl sich sein Chef, Finanzminister Aleksej Kudrin, für ihn verbürgt hat. Wirklich gesicherte Informationen aus dem Kreml sind bisher rar. Soviel ist jedoch sicher: Putin hat sich im Weißen Haus, dem Sitz der russischen Regierung an der Moskwa, einen Fitnessraum einrichten lassen. Bekannt ist auch: Der Zugang von Journalisten zum Sitz der Regierung wurde beschränkt. Niemand soll sich dort mehr ohne Kontrolle mit hohen Beamten unterhalten können und sei es auch nur zu einem Kurzinterview vor einem Aufzug. Sicher ist zudem: Putin wird kein Befehlsempfänger des Präsidenten sein, so wie es die bisherigen Ministerpräsidenten waren. Offenbar will sich der ehemalige Kreml-Chef über Abmachungen mit seinem Amtsnachfolger Macht aus dem Kreml mit in die Regierung nehmen. Bisher ist aber alles geheim, auch die Liste der Minister im Kabinett Putin, die vom neuen Präsidenten abgesegnet werden muss. Die Meldung der Zeitung „Gaseta“ im Kabinett Putin werde es statt sechs elf Vizeministerpräsidenten geben, wurde von der Präsidialverwaltung dementiert. Der bisherige stellvertretende Leiter der Präsidialverwaltung, Igor Setschin, den man zum Lager der Hardliner im Kreml zählt, soll – so die Internetzeitung gaseta.ru in Zukunft den Apparat der Regierung leiten. Der Großteil der Mitarbeiter in der Präsidialverwaltung und der Regierung werde – so die Internetzeitung - ihre Posten behalten. Der Leiter der Präsidialverwaltung – ein Schlüsselposten der Machtarchitektur – werde in Zukunft von Putins Chefideologen Wladislaw Surkow geführt. Er ist der Erfinder der Partei „Einiges Russland“ und der Jugendorganisation „Naschi“. In den vergangenen Wochen war außerdem gemutmaßt worden, Putin werde die Kontrolle der Sicherheitsapparate für sich beanspruchen. Außerdem werde er sich die Verwaltungen in den Regionen unterordnen. Für Dienstag hatte das von Ex-Schachweltmeister Garri Kasparow geführte Bündnis „Das andere Russland“ zu einem weiteren „Marsch der Unzufriedenen“ aufgerufen. Anlass des Protestes ist die Amtsübergabe an Medwedew und der Ausschluss der Opposition aus den politischen Leben im Land. Die Aktion von Kasparow wurde von der Stadtverwaltung allerdings nicht genehmigt. Angeblich hatte sich für den von Kasparow beanspruchten Platz im Zentrum von Moskau bereits die Kreml-treue Organisation „Junges Russland“ eine Kundgebung angemeldet. ENDENachdruck und Weiterverwertung dieses Artikels sind kostenpflichtig. Informationen im n-ost-Büro unter (030) 30 83 11 87