PUTIN RÄUMT IM SICHERHEITSDIENST AUF
Russlands neuer Premier entlässt drei ranghohe Beamte und stärkt die Position der Liberalen um Medwedew (n-ost) – Immer, wenn es in Moskau ein Stühlerücken im Kreml gibt, haben die Angehörigen des Berufsstandes der Kremologen viel zu tun. Gerade jetzt, nach dem Amtsantritt Dmitrij Medwedews als Präsident und dem Wechsel Wladimir Putins auf den Posten des Premierministers gibt es eine Menge zu analysieren. Wie sehen die neuen Machtstrukturen in Russlands Führungsspitze in Zukunft auf? Unstrittig ist, dass Wladimir Putin der starke Mann in Russland bleibt. Mehrere seiner Mitarbeiter aus dem Kreml, werden ihm nun bei seiner Arbeit als Ministerpräsident zur Seite stehen. Für den Politologen Dmitrij Oreschkin ein klarer Beleg dafür, dass Putin Macht aus dem Kreml in das „Weiße Haus“, den Sitz der russischen Regierung, mitnimmt. Zwei Drittel der Minister – darunter auch die Minister für Äußeres (Lawrow), Inneres (Nurgalijew), Verteidigung (Serdjukow) und Finanzen (Kudrin) – behalten ihre Posten. Um den Premier vom Tagesgeschäft zu entlasten, wird es im neuen Kabinett statt fünf, sieben stellvertretende Premiers geben, darunter gleich zwei „erste stellvertretende Ministerpräsidenten“. Diese beiden Posten bekamen der bisherige Premier Viktor Subkow, ein eher unauffälliger Technokrat, der zu Putins alten Vertrauten zählt und für die Realisierung der „nationalen Projekte“ in der Landwirtschaft zuständig sein soll. Zudem wurde Putins ehemaliger Berater, Igor Schuwalow, bedacht, der bisher für die Kontakte mit der G8 zuständig war. Schuwalow, der dem liberalen Präsidenten Medwedew nahe stehen soll, wird jetzt die Außenwirtschaftspolitik und die Verhandlungen über Russlands WTO-Beitritt beaufsichtigen. Die Leiter der Verwaltungsapparate von Regierung und Kreml wurde ausgetauscht. Sergej Sobjanin, bisher Chef der Kreml-Präsidialverwaltung, wird Leiter des Regierungsapparates. Sergej Naryschkin, der bisher auf diesem Posten saß, wird in Zukunft die Präsidialverwaltung leiten. Der Politologe Sergej Markow sieht diesen Ämtertausch als Sicherheitsgarantie, dass sich die Apparate nicht hinter dem Rücken von Putin und Medwedew Gefechte liefern. Die eigentliche Überraschung der Regierungsneubildung spielte sich in den Sicherheitsapparaten ab. Hier vollzog Putin einen radikalen Schnitt, indem er gleich drei hochrangige Posten mit neuen Leuten besetzte. Nikolai Patruschew, Leiter des Inlandsgeheimdienstes FSB wurde durch seinen Stellvertreter Aleksandr Bortnikow ersetzt. Seinen Posten verlassen musste auch der Chef der Anti-Drogen-Behörde, Viktor Tscherkessow. Justizminister Wladimir Ustinow – der zur Kreml-Hardliner-Fraktion gehörte – musste seinen Posten an Aleskandr Konowalow, einen Schüler von Dmitrij Medwedew, abgeben. Die Ablösung von Patruschew und Tscherkassow ist nach Meinung des Blattes „Wremja Nowostej“ ein Zeichen, dass Putin den „Krieg der Geheimdienste“ beenden will.Zwischen dem Inlandsgeheimdienst FSB, der Drogen-Polizei und der Generalstaatsanwaltschaft hatte es im letzten Jahr heftig gekracht. Zwischen den Behörden kursierten gegenseitige Vorwürfe über die Verwicklung in den größten Korruptionsfall der Putin-Zeit, den Schmuggel-Skandal um das Moskauer Möbelhaus „Tri Kita“. Putin hatte extra einen Sonderermittler, Wladimir Loskutow, aus St. Petersburg einsetzen lassen, der den Korruptionsfall untersuchen sollte. Doch dieser wurde vergangene Woche – noch vor Putins Abgang als Präsident - vom staatlichen Ermittlungskomitee sang- und klanglos entlassen, ohne dass es mehr Klarheit in der Affäre gibt.Der Korruptionsfall Tri Kita hatte immer wieder für Schlagzeilen gesorgt, so als Putin hohe FSB-Offiziere und Zoll-Beamte entließ oder als es im Herbst letzten Jahres, bei der Verhaftung eines Generals der Anti-Drogen-Behörde durch Mitarbeiter des FSB auf dem Moskauer Flughafen Domodedowo fast zu einem Feuergefecht gekommen wäre und der Chef der Drogen-Behörde daraufhin in einem Artikel für die Zeitung „Kommersant“ die Arbeit seines Dienstes verteidigte. Insgesamt, so erklärte die Chefredakteurin des Kreml-kritischen Wochenmagazins „New Times“, Jefgenija Albats, dem Radiosender Echo Moskwy, bedeute die Regierungsbildung in Moskau eine Schwächung der Geheimdienstfraktion im Kreml. Und dies unter dem ehemaligen KGB-Mann Putin? Ein Beleg für diese gewagte These ist auch der Bedeutungsverlust des ehemaligen Präsidialamtsleiters und Kreml-Hardliners Igor Setschin. Dieser wird in der Putin-Regierung keines der Sicherheitsministerien beaufsichtigen, sondern die Bereiche Industrie und Umwelt, keine Felder, auf denen sich ein Hardliner profilieren könnte.ENDENachdruck und Weiterverwertung dieses Artikels sind kostenpflichtig. Informationen im n-ost-Büro unter (030) 30 83 11 87