Russland

GEMEINSAM AUF DER SCHIENE

Bahnchef Mehdorn begrüßt den geplanten Einstieg der russischen Staatsbahn nach dem DB-Börsengang im Herbst / Gemeinsamer Ausbau des Güterverkehrs mit China geplant(n-ost) – Wenn es nach dem Willen von Bahnchef Hartmut Mehdorn und dem Chef der russischen Staatsbahn, Wladimir Jakunin, geht, werden Russland und Europa künftig enger zusammenarbeiten. Im vergangenen Jahr startete zu Testzwecken bereits ein Containerzug von Hamburg nach Peking. Er brauchte für die Strecke zwölf Tage, während Container, die per Schiff nach China transportiert werden, 32 Tage brauchen. Doch um den Güterverkehr über den eurasischen Kontinent zu entwickeln, müssen die rechtlichen Bestimmungen von mehr als sechs Ländern aneinander angepasst werden. Schnell wird das nicht gehen, meinen Experten. Auf einem internationalen Kongress in Sotschi stellte die russische Staatsbahn RZD in dieser Woche ihre Zukunftspläne vor. Die russische Staatsbahn soll grundlegend modernisiert und ausgebaut werden. Der russische Ministerpräsident hat dafür am Dienstag ein Investitionsprogramm für den gesamten Verkehrssektor über 540 Milliarden US-Dollar für den Zeitraum von 2010 bis 2015 gebilligt. Russlands Bahn will auch die Zusammenarbeit mit den Nachbarländern intensivieren. Basis dieser Zusammenarbeit ist die breite „russische“ Spurweite von 1522 mm. Nicht nur in den baltischen Republiken, auch in Finnland und selbst in der Mongolei gehört diese Spurweite zum Standard. Eisenbahnchef Jakunin möchte die breite Gleis-Spur bis nach Wien ausbauen. Das ist zwar noch Zukunftsmusik aber damit wären Gütertransporte von China nach Europa und umgekehrt besonders preisgünstig, denn es wäre nicht mehr nötig, Container für verschiedene Spurbreiten umzuladen. Die russische Staatsbahn plant, ab 2010 an die Börse zu gehen. Doch vor einem Börsengang müsse sie noch erheblich modernisiert werden, erklärte der Bahnchef Jakunin gegenüber dieser Zeitung. Der Personenverkehr arbeite noch mit Verlust.Zudem ist Jakunin an einer stärkeren Verflechtung mit Deutschland interessiert. Er bezeichnete Investitionen bei der Deutschen Bahn als „eine gute Idee“. Der deutsche Bahnchef Hartmut Mehdorn erklärte seinerseits, er würde eine russische Beteiligung bei der Deutschen Bahn begrüßen. Deutsche Investoren, so die russische Planung, könnten sich auch an den RZD-Tochterunternehmen im Logistik-Bereich beteiligen, die ebenfalls einen Börsengang planen. Die deutsche Regierung hatte Ende April die Weichen für eine Teilprivatisierung der Deutschen Bahn gestellt. Danach sollen im Herbst 24,9 Prozent des Transportgeschäftes verkauft werden.
Bisher wird nur ein Prozent des deutsch-russischen Güterverkehrs auf der Schiene abgewickelt. Der Containerverkehr auf der Schiene krankt jedoch an zeitraubenden Grenzkontrollen. Güterzüge nach Russland werden an den Grenzen bis zu drei Tagen aufgehalten. Mehdorn will dies Problem mit einem elektronischen Frachtbrief lösen, der die Einzelkontrolle der Container erübrigen soll. Ein gemeinsam von der Deutschen Bahn und der russischen Staatsbahn gegründetes Logistikunternehmen soll die Abwicklung des wachsenden Güterverkehrs beschleunigen. Über das Unternehmen Siemens ist Deutschland zudem an der Modernisierung der russischen Eisenbahn beteiligt. Im Dezember wird Siemens den ersten von insgesamt acht Hochgeschwindigkeitszügen für die geplante Strecke Moskau-St. Petersburg liefern. Zur Zeit sind auf der Strecke nur 130 Stundenkilometer möglich. Auf einer neuen Parallelstrecke Moskau-St. Petersburg sollen ab 2015 Züge mit einer Geschwindigkeit von bis zu 350 Stundenkilometern fahren. Hochgeschwindigkeitsstrecken plant die russische Staatsbahn auch Richtung Helsinki, Berlin und Nischni-Nowgorod an der Wolga. Normale Personenzüge fahren in Russland derzeit mit nur 80 Stundenkilometern, die wesentlich längeren und schwereren Güterzüge sind sogar noch langsamer. INTERVIEW MIT BAHN-CHEF HARTMUT MEHDORNFrage: Warum wird bisher nur ein geringer Teil des deutschen Güterverkehrs mit Russland auf der Schiene abgewickelt, obwohl der Handelsumsatz zwischen Deutschland und Russland gewaltig gestiegen ist?Mehdorn: Wir haben Probleme mit der Verwaltung an den Grenzen. Die Züge stehen zwei, drei Tage bis sie abgefertigt werden. Das ist nicht akzeptabel. Da müssen noch Regierungsverträge abgeschlossen werden. Wir brauchen den elektronischen Frachtbrief. Er soll schon zwölf Stunden, bevor der Zug kommt, an der Grenze auf dem Bildschirm sein. Die Container werden dann verplombt und niemand braucht mehr seine Nase da reinzustecken.Frage: Wäre eine Beteiligung der russischen Bahn bei der Deutschen Bahn möglich?Mehdorn: Warum nicht?Frage: Sie fürchten also nicht, dass die Russen in Deutschland strategische Bereiche aufkaufen?Mehdorn: Die Deutschen haben immer Befürchtungen. Egal was passiert. Deutsche sind Berufsbefürchter. Aber Geld ist nicht angestrichen, es kommt über Banken, egal wem es am Ende gehört. Wir arbeiten immer mehr mit Russland zusammen und wir glauben, dass sich der russisch-asiatische Markt für die Bahn gewaltig entwickelt. Da müssen wir jede Chance zur Partnerschaft nutzen. Und wenn sich der russische Staat an der deutschen Bahn beteiligen will, kann er das tun  wie jeder andere Investor. Frage: Zur Zeit liegt der Anteil des deutsch-russischen Gütertransports per Schiene bei nur einem Prozent.Mehdorn: Daran sieht mann, wie groß der Markt ist. Die russische Wirtschaft wächst zur Zeit mit acht Prozent. Und es geht ja nicht nur um Russland. Dahinter liegen die zentralasiatischen Länder und dahinter China. Zwischen China und Europa werden jährlich 60 Millionen Tonnen Fracht ausgetauscht, um nur mal eine Zahl zu nennen. Bisher geht das vor allem über Schiff und Flugzeug. Unser Container-Test-Zug von Hamburg nach Peking brauchte nur 12 Tage. Mit dem Schiff brauchen die Container 32 Tage. Chinesische Exporteure können so über Russland und Hamburg in die USA exportieren und sparen dabei 25 Tage.Frage: Inwieweit nutzen deutsche Automobilproduzenten in Russland die Bahn?Mehdorn: Wir haben das Ziel, das neue VW-Montage-Werk in Kaluga bei Moskau mit der Bahn zu versorgen und danach die dort produzierten Produkte im Land zu verteilen. Wir wollen dabei mit den russischen Partnern kooperieren.ENDENachdruck und Weiterverwertung dieses Artikels sind kostenpflichtig. Informationen im n-ost-Büro unter (030) 259 32 83 - 0


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