Zu Gast bei Freunden
Am Donnerstag kommt der russische Präsident Dmitri Medwedew zu seinem ersten Deutschland-Besuch als Kreml-Chef nach Berlin. Während des eintägigen Arbeitsbesuchs wird Medwedew, der am 7. Mai sein Amt angetreten hat, mit Kanzlerin Angela Merkel und Bundespräsident Horst Köhler zusammenkommen. Am sowjetischen Ehrenmal in Berlin-Treptow wird Russlands Präsident in Begleitung von Berlins Bürgermeister Klaus Wowereit einen Kranz zu Ehren der gefallenen sowjetischen Soldaten niederlegen.
Merkel war die erste europäische Politikerin, die Medwedew im März nach seiner Wahl in Moskau besucht, und ihm gratuliert hatte.Bei dem Treffen zwischen Medwedew und Merkel wird es vermutlich unter anderem um den neuen Partnerschaftsvertrag zwischen der EU und Russland gehen, über den auf dem EU-Russland-Gipfel am 26. Juni in der sibirischen Öl-Stadt Chanty-Mansijsk verhandelt werden soll.
Der alte Partnerschaftsvertrag von 1994 war im Dezember 2007 ausgelaufen und dann für ein Jahr verlängert worden. Polen und Litauen hatten die Verhandlungen über ein neues Abkommen lange blockiert. Zunächst zeigte sich Polen verärgert über den Importstopp für polnisches Fleisch durch Russland, der inzwischen wieder aufgehoben wurde. Dann protestierte Vilnius gegen Russlands Einmischung in die eingefrorenen Konflikten in Georgien und Moldawien und die langsame Reparatur einer russischen Öl-Pipeline nach Litauen. Nun werden die Verhandlungen über den neuen Partnerschaftsvertrag wieder aufgenommen. Die Gespräche werden jedoch nicht einfach, denn die Meinungsverschiedenheiten in der Frage Energie-Sicherheit sind nicht ausgeräumt. Eine Kontrolle der EU über das russische Pipeline-System könne es nicht geben, erklärte Wladislaw Below, der Direktor des Moskauer Zentrums für Deutschlandforschung, wohl aber eine Beteiligung bei der Modernisierung der Energietrassen. Nach russischer Einschätzung können sich die Verhandlungen über den Partnerschaftsvertrag noch über Jahre hinziehen, weil die Abstimmung unter den 27 EU-Mitgliedern sehr schwierig sei.
Der russische Botschafter in Berlin, Wladimir Kotenjow, erklärte in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Ria Nowosti, die deutsch-russischen Beziehungen entwickelten sich zur Zeit mit aufsteigender Tendenz, „dynamisch und konstruktiv“. Als besonders erfolgreich bezeichnete Kotenjow die Zusammenarbeit im Wirtschaftsbereich. Das Handelsvolumen sei in diesem Jahr um 25 Prozent gestiegen. 2007 hatte das Handelsvolumen einen Umfang von 52,8 Milliarden US-Dollar. Auch bei den deutschen Investitionen in Russland (2007 waren es fünf Milliarden US-Dollar) gäbe es eine positive Tendenz. Als Beispiele nannte der Botschafter die Investitionen der Firmen Eon, Volkswagen und Bosch-Siemens.
Auch die russischen Investitionen in Deutschland steigen. Kotenjow verwies auf die russischen Beteiligungen bei TUI, Hochtief sowie auf das von der deutschen Bahn und der russischen Eisenbahn gegründete Gemeinschaftsunternehmen zur Abwicklung des Container-Verkehrs.Darüber hinaus begrüßte Kotenjow das Interesse deutscher Unternehmen, sich am Bau von Objekten für die Winterolympiade 2014 in Sotschi zu beteiligen. Der russische Botschafter kritisierte die negative Russland-Berichterstattung deutscher Medien und Versuche von deutscher Seite, im Bereich der High-Tech-Zusammenarbeit Barrieren zu schaffen.Präsident Medwedew hatte vor seinem Amtsantritt angekündigt, er wolle die russische Gesellschaft entbürokratisieren und die Rechtsprozeduren für kleine und mittlere Unternehmer vereinfachen. Außerdem kündigte er an, Korruption energisch zu bekämpfen. Das hatten vor ihm allerdings auch schon Putin und Jelzin versprochen. Doch Medwedew will den autoriätren Stil seines Vorgängers offenbar wirklich entschärfen.
Nicht verstummen wollen die Gerüchte, Medwedew werde den in einem sibirischen Straflager einsitzenden ehemaligen Yukos-Chef Michail Chodorkowski begnadigen. In den vergangenen Tagen feilte Medwedew weiter an seinem liberalen Image. Er lehnte eine von der Duma beschlossene Verschärfung des Mediengesetzes ab, auf die sein Vorgänger Wladimir Putin gedrungen hatte. Für Aufsehen sorgte auch, dass Medwedew am Dienstag den Generalstabschef Juri Balujewski, einen Hardliner, der das russische Recht auf den atomaren Erstschlag verteidigt, von seinem Posten entließ. Medwejdew und Putin arbeiten in der Innen- und Außenpolitik jetzt als Tandem. Putin absolvierte Anfang Juni seinen ersten Auslands-Besuch als Ministerpräsident in Paris. Für Journalisten und Sicherheitsleute bedeutet das Tandem doppelte Arbeit. Denn die beiden Politiker, die Russland heute vertreten, erfordern gleich viel Beachtung.ENDENachdruck und Weiterverwertung dieses Artikels sind kostenpflichtig.